Leseprobe

»…und keine Qual rühret sie an«? 49 gehört eine passgenau zugeschnittene Lederauflage, die zwi­ schen Haut und Metallblech gelegt wurde. Als Fontanellen wurden »kleine Geschwüre, … zu[r] Gesundheit des Men­ schen« 20 bezeichnet, die künstlich erzeugt und über längere Zeit offengehalten wurden. So ein Geschwür konnte beispielsweise durch Einschneiden der Haut an einer bestimmten Stelle und Einlegen eines Fremdkörpers, z. B. einer Erbse, erzeugt werden. Das Fontanellenblech diente dann zum festen Abdecken der Wunde. Um eine Heilung zu verhindern und stattdessen per­ manente Eiterung zu erzeugen, musste der Fremdkörper regel­ mäßig gewechselt werden. Die praktischen Bandagen mittels Lederriemen ermöglichten, dass der Patient die Wundversor­ gung selbst vornehmen konnte. Diese Behandlungsart fußt auf dem bereits in der römischen Antike von dem griechischen Arzt Galenos von Pergamon entwickelten humoralpathologischen Prinzip, nach dem ein Ungleichgewicht der Körpersäfte sich in Erkrankungen zeigt. 21 Ebenfalls in einen medizinischen Kontext könnte eine klei­ ne Dose aus Knochen gehören. Sie befand sich unter den se­ kundär eingebrachten Bestattungsresten in der vorderen Ein­ zelgrabkammer und kann somit keiner Bestattung zugeordnet werden. Die zylindrisch gearbeitete Dose ist 2,3 Zentimeter hoch und hat einen Durchmesser von zwei Zentimetern (Abb. 9) . Sie ist sehr schlicht mit wenigen Profilierungen gear­ beitet; der Deckel weist eine einfache Kreisaugenverzierung auf. Dosen dieser Art, prinzipiell multifunktional, dienten seit der Barockzeit auch zur Aufbewahrung der teilweise sehr aufwendig hergestellten und insbesondere für wohlhabende Patienten mit Silber oder Gold überzogenen Pillen. 22 Nachdem zunächst eine dringende Instandsetzung des Kirchturms erforderlich gewesen war, konnte die Grablege 2016 umfassend saniert werden. Zu den Maßnahmen gehörten auch eine Wiedervermauerung der Kammergräber und der Einbau einer sensorgesteuerten Belüftungsanlage. Stabile Eichenholz­ regale wurden an Ost- und Westwand aufgestellt, um dort Sargteile gut belüftet lagern zu können. 23 Da nur ein Erwach­ senensarg und drei Kindersärge zur Aufnahme von menschli­ chen Überresten wiederhergestellt werden konnten, wurden vier schlichte neue Holzsärge für Rückbettungen bereitgestellt. Hierein wurden Gebeine in einzeln angefertigten Beuteln aus Baumwollnessel gelegt bzw. die noch im Ganzen erhaltenen Leichname, in weiße Leintücher gehüllt, zur nunmehr letzten Ruhe gebettet. Persönliche Gegenstände, die als Beigaben ur­ sprünglich bei den Leichnamen gelegen hatten, wurden, wenn eine Zuweisung nicht mehr möglich war, in säurefreies Seiden­ papier eingeschlagen und gesammelt in einen der neuen Särge gelegt. Das oben erwähnte Hiob-Zitat empfängt nun die Be­ sucher, die nach den Sanierungs- und Restaurierungsarbeiten die Treppe zur Gruft heruntergehen (Abb. 10) . Das einzige Objekt, das noch der Restaurierung harrt, ist der barocke Zinnsarg mit seinen Wappen und Inschriftenfel­ dern. Hierfür müssten weitere Mittel zur Verfügung gestellt werden. Die wichtigsten Arbeiten zur Sicherung des wertvollen Be­ stands in der Burkhardswalder Gruft sind abgeschlossen. Am 6. August 2016 fand in der Kirche in Anwesenheit großer Teile der Familie von Bünau ein Festgottesdienst statt. Finanziert wurden die Arbeiten durch das Ev.-Luth. Regionalkirchenamt Dresden/ Abteilung Baupflege und die Familie von Bünau. Ein herzlicher Dank gilt Annegret Michel, Dipl.-Restauratorin im Landesamt für Denkmalpflege Sachsen, für die Betreuung des Projektes, fachlichen Rat und freundschaftlich-kollegiale Un­ Abb. 10 Heutiger Blick in die Gruft nach Nordwesten.

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