Leseprobe
Ein schlummerndes Kleinod 101 bebaut und zum Theil mit Obstbäumen bestanden sind …« 16 Auch wird der »Grasegarten hinter dem Hofe, ein Morgen 142 Quadratruten« 17 und die »Hutung hinter dem Lustgarten, 48 Quadratruten« 18 benannt. In der Karte von 1863 ist wiederum im Süden der Gutsan lage eine Struktur verzeichnet, die auf eine ehemals vorhandene, geometrisch gestaltete Gartenpartie – also den Lustgarten – hin deutet. 19 In welchen Grenzen dieser vermutlich renaissancezeit liche Garten bei seiner Entstehung vorlag und ob er eventuell barock überformt oder erweitert wurde, sodass er erst später die 1863 dargestellte Ausdehnung erhielt, kann anhand des vorlie genden Quellenmaterials nicht abschließend geklärt werden. Das Herrenhaus und mehrere zusammenhängende Wirt schaftsgebäude bildeten die nördliche Raumkante des Lustgar tens, sodass dieser ausgehend vomWirtschaftshof nicht einseh bar war. Dem Herrenhaus war im Süden ein kleiner Hof vorgelagert, der von Wirtschaftsgebäuden seitlich flankiert und durch eine Einfriedung (womöglich noch den bei Schultz dar gestellten Staketenzaun) vom Garten separiert wurde. Hof- und Gartenraum gingen somit nicht nahtlos ineinander über, viel mehr entstand eine Art Auftaktsituation zum Garten. Im Osten und Süden wurde der Garten vermutlich durch die Gutsmauer eingefasst, da diese noch heute entlang der in der Karte ver zeichneten Grenze verläuft und die Einfriedung von Guts- und Gartenareal üblich war. Über die Ausgestaltung der Gartenein friedung im Westen kann anhand des Quellenmaterials keine präzise Aussage getroffen werden. Allerdings kann davon aus gegangen werden, dass auch hier eine solche vorlag, schützte sie doch den dahinterliegenden kostbaren Gartenraum vor unbe rechtigten oder gar zerstörenden Eintritten. Der Karte zufolge bestand der Lustgarten aus vier Kompar timenten, die durch den orthogonalen Verlauf zweier Wegach sen entstanden. Im Schnittpunkt der Wegachsen befand sich eine kreisförmige Struktur, bei der es sich möglicherweise um eine Platzfläche mit Wasserbecken handelte. Der Weg, der die Querachse des Gartens bildete, bezog sich auf den Südeingang des Herrenhauses und reichte im Süden bis an die Gutsmauer heran. Entsprechend der gartenkünstlerischen Vorlieben zur Zeit geometrischer Gärten ist vorstellbar, dass kurz vor dem Aufeinandertreffen von Weg und Mauer ein als point de vue dienendes Objekt oder eine Sitzmöglichkeit platziert war, even tuell aber auch ein Ausblick in die Umgebung existierte. Hin weise darauf ergeben sich jedoch erst aus einer Karte von 1882, auf die an spätere Stelle noch näher eingegangen wird. Die Längsachse des Gartens fand ihren Höhepunkt in einem Lusthaus mit vor- und rückspringender Fassade, das zugleich den östlichen Abschluss des Gartens bildete. Mit dieser geschick ten Situierung des Gebäudes konnte der Gartenraum in seiner vollen Ausdehnung wahrgenommen werden. Bemerkenswert ist auch, dass in der Gemarkungskarte eine das Lusthaus umlau fende Ausbuchtung des Grenzverlaufes verzeichnet wurde, die noch heute so im Verlauf der Gutsmauer vorzufinden ist. 20 Im Vermessungsregister finden sich folgende Angaben zum Lusthaus: »das herrschaftliche Lustgartengebäude mit Ziegel dach, 55 �/₂ Fuß lang, 32 Fuß breit, 1776 Quadratfuß«. 21 Die Grundfläche des Lusthauses entsprach also in etwa der Hälfte der Grundfläche des Herrenhauses mit 3 800 Quadratfuß, 22 wodurch sich einerseits die Hierarchie zwischen beiden Gebäu den abzeichnet, andererseits aber auch ersichtlich wird, dass dem Lustgebäude eine nicht zu unterschätzende Bedeutung für die gutsherrliche Repräsentation der jeweiligen Besitzer beikam. Dies spricht auch für eine anspruchsvolle Gartenanlage, die die Kulisse für die herrschaftliche Selbstdarstellung bot. Dem Re gister lässt sich auch entnehmen, dass ein »Gärtner Wohnge bäude« 23 existierte, das, wie die Gemarkungskarte zeigt, unweit des Lusthauses situiert war. Das Vorhandensein dieses Gärtner wohnhauses bekundet, dass zu jener Zeit ein Gärtner auf dem Gut beschäftigt war, dem auch die Pflege des Lustgartens oblag. Noch heute finden sich stattliche Winterlinden im Garten, deren Zwieselständer anzeigen, dass sie einst unter Schnitt ge nommen wurden. Anhand der Überlagerung der Karte von 1863 mit dem heutigen Bestandsplan (Abb. 3) wird ersichtlich, dass sich diese Linden an den Wegachsen des geometrischen Gartens befanden. Ob die in der Karte (vgl. Abb. 2) mit einem »H« gekennzeichnete Baumhutung in den beiden westlichen Kompartimenten des Gartens, einen Boskettbereich darstellte, muss Spekulation bleiben. In das 19. Jahrhundert fallen Maßnahmen zur Verschöne rung von Herren-, Kutscher- und Gärtnerhaus, bei denen Formen der Neorenaissance (mit Obelisken bekrönte Schweifgiebel) Abb. 4 Ausschnitt aus der Übersichtskarte von dem Rittergute Ober Neundorf Kreis Görlitz, 1882 zum Zwecke der landschaft lichen Taxe angefertigt durch den königlichen Feldmesser Brotke, die Veränderungen (rot gekennzeichnet) nachgetragen im Jahre 1918 durch O. Brotke. 1 = Wirtschaftshof mit dem Schlosse 2 = Park 3 = Der Gemüsegarten 4 = Straße von Görlitz nach Zodel 5 = Straße 6 = Garten- und Gebäude flächen 7 = Die Neißewiesen 8 = Acker in der Neißewiese 9 = Brauerei mit Teich 11 = in Legende nicht vorhanden 10/ 12 = Viehkoppel 13/ 14 = Die Berglehne 15 = Fußweg 18 = Weg vom Hofe Cunnersdorf 101 = An der Krauschaer Straße 103 = An der Berglehne 104 = Die Berglehne Die Angaben gehen auf die Akte StFilA BZ, 50003 Fürsten tumslandschaft Görlitz, Nr. 524, Bl. 40 ff. zurück, die im Staatsfilialarchiv Bautzen verwahrt wird.
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