Leseprobe

102 Anja Gottschalk Verwendung fanden. 24 Auf welche Gutsherren diese Bemühun­ gen zurückzuführen sind, konnte bisher nicht ermittelt werden. Hinweise darauf, dass auch Veränderungen an der geome­ trischen Gartenanlage vorgenommen wurden, ergeben sich aus einem Vermessungsregister mit zugehöriger Karte (Abb. 4) von 1882, dessen Erstellung Ernst Hans Bernhard von Haugwitz (1854–1912; Gutsbesitzer 1880–1907) veranlasste. Dieser hat­ te das Gut 1880 aus dem Nachlass seines Vaters Ernst Eduard von Haugwitz (1802–1880; Gutsbesitzer 1864–1880) über­ nommen. 25 In diesem Vermessungsregister werden der Lustgarten mit einer Fläche von 1,70 Hektar und ein 0,45 Hektar großer Ge­ müsegarten aufgeführt. 26 Aus der dem Register beigefügten Karte geht im Abgleich mit der Karte von 1863 hervor, dass zwischen 1863 und 1882 eine Erweiterung des Lustgartens um 0,21 Hektar im Westen vorgenommen wurde, im selben Zeit­ raum aber auch 0,45 Hektar vom Lustgartengelände zur Anlage des Gemüsegartens im Osten abgezogen wurden. Noch heute liegt der Garten in ebenjenen Grenzen von 1882 vor. 27 So findet sich auch noch immer eine Aufweitung 28 im südlichen Verlauf der Gutsmauer, die die Form eines stumpfwinkligen Dreiecks aufweist. Wie bereits für den geometrischen Lustgarten beschrie­ ben, deutet sie möglicherweise auf einen mit einem Ruheplatz kombinierten Ausblick in die umgebende Landschaft hin. Ein Messtischblatt von 1888 (Abb. 5) bekundet erstmals, dass der vormals geometrische Lustgarten sowie dessen Erwei­ terungsareal eine Gestaltung im landschaftlichen Stil erhalten hatten, 29 die vermutlich bereits 1882 vorlag. In dem Erweite­ rungsareal hatte sich noch 1863 eine Baumhutung befunden; nahe liegt, dass einzelne Baumschönheiten daraus bei der land­ schaftlichen Ausgestaltung übernommen wurden, um so bereits früh eine eindrucksvolle Bildwirkung erzeugen zu können. Den bisher zutage gebrachten Erkenntnissen zufolge, ist die landschaftliche Überprägung des Gartens auf Ernst Eduard von Haugwitz zurückzuführen und wurde spätestens unter seinem Sohn abgeschlossen. 30 Im Zuge der Veränderungen am Garten müssen ein »Ana­ nastreibhaus, massiv mit Glasdach, 12,20 Meter lang, 6,90 Me­ ter tief, 2,20 Meter hoch« 31 und ein »Gewächshaus, Glaswände mit Ziegeldach, 20,20 Meter lang, 2,30 Meter tief, 3,20 Meter hoch« 32 errichtet worden sein, die 1882 erstmals im Vermes­ sungsregister gelistet werden. Da die nun für das »Gärtnerhaus, massiv mit Ziegeldach, 26,50 Meter lang, 5,70 Meter tief, 5,00 Meter hoch« 33 angegebenen Maße nicht mehr mit jenen von 1863 übereinstimmen, waren an diesem Gebäude offensichtlich Umbauten vorgenommen worden. Auf der zum Vermessungs­ register gehörenden Karte ist zudem zu erkennen, dass es sich nicht um frei stehende Gebäude handelte; vielmehr waren sie direkt aneinander gebaut und befanden sich, wie aus der Über­ lagerung der Karten von 1863 und 1882 hervorgeht, an eben­ jenem Standort, an dem das Gärtnerhaus 1863 situiert war. Die Kultivierung der Ananas bedarf profunden gärtnerischen Wissens und Könnens und ist zudem kosten- und zeitaufwendig, benötigt die anspruchsvolle Pflanze doch ein Warmhaus zur Überwinterung und bis zu zwei Jahre, um zur Fruchtreife zu gelangen. In der Zusammenschau dieser Aspekte kann konsta­ tiert werden, dass die von Haugwitz als gartenkulturell interes­ sierte Gutsbesitzer anzusehen sind und vermutlich einen ver­ sierten Gärtner beschäftigten. Auch ist vorstellbar, dass das bereits 1833/ 34 34 errichtete Pücklersche Ananastreibhaus im nicht weit entfernten Muskau als Inspirationsquelle diente. Das Lustgartengebäude wird 1882 nicht mehr benannt oder kartografisch dargestellt. Gründe für den Rückbau könnte es viele gegeben haben – so spiegeln sich in der repräsentativen Architektur Paradigmen, die sich mit dem ideellen Hintergrund der Landschaftsgärten nicht vereinen ließen, vielleicht war aber auch die Unterhaltung des Gebäudes (gerade auch im Hinblick auf die zusätzlichen Kosten der Ananaskultivierung) zu kost­ spielig geworden. Konkretere Aussagen zur Ausgestaltung des Gutsgartens können erst anhand von Fotografien aus dem frühen 20. Jahr­ hundert sowie Berichten von Zeitzeugen, die ungefähr von 1940 an die Gegebenheiten vor Ort beurteilen können, getrof­ fen werden. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die im Fol­ genden beschriebenen gestalterischen Grundzüge bereits mit der landschaftlichen Überformung des Gutsgartens eingebracht Abb. 5 Ausschnitt aus dem Messtischblatt (1888).

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