Leseprobe

172 spitzten fotografischen Selbstinszenierungen. In diesen frü- hen Arbeiten werden häufig Text-Bild-Bezüge in den Fokus gerückt: Anhand der vom MfS erstellten Berichte, Protokolle und Bildlegenden – der Künstler Joerg Waehner bezeichnet sie als »Stasi-Prosa« – werden Übergriffigkeit, Anmaßung und Unzulänglichkeit der Observation heraus- und einer selbst- bestimmten Präsentation gegenübergestellt. Seit Ende der 2000er Jahre setzt sich vermehrt eine jüngere Generation von Künstlerinnen und Künstlern – als »nicht di- rekt Betroffene« mit mehr Distanz und (nicht immer) diffe- renzierterem Blick – mit Material aus den BStU-Archiven auseinander. Dieser Generationswechsel fällt nicht nur mit einem gesteigerten künstlerischen Interesse an einer Archiv­ thematik 8 zusammen, sondern wurde auch von Änderungen im Stasi-Unterlagengesetz begünstigt. 9 Die »zweite Genera- tion« konzentriert sich stärker auf übergeordnete Themenkom- plexe. Auf formaler Ebene lassen sich Merkmale feststellen, die sie von den Arbeiten mit der »eigenen Akte« unterschei- den: Meist liegt den Werken ein ausgeprägt fotografisches Interesse zugrunde; in der Regel wird auf Originaltexte des MfS verzichtet; Veränderungen oder Manipulationen am Bild- material werden kaum vorgenommen. Solche Untersuchun- gen der visuellen Hinterlassenschaft präsentieren sich häufig als Bild-Anordnungen, die in erster Linie die Bilder für sich sprechen lassen und erst im zweiten Schritt mit – faktischen, bewertenden oder auch literarischen – Kontextinformationen eine Leserichtung vorgeben. So versammelt der Fotograf Abb. 3 a – d J E N S K L E I N | Hundewege. Index eines konspirativen Alltags | 2009–2012 Publikation, Institut für Buchkunst, Leipzig 2013

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