Leseprobe
11 E i n B l i c k z u r ü c k u n d n ac h vo r n Nähe einer ehemaligen Kohlebahn in der Lausitz von Wölfen gerissen worden waren. Über Nachforschungen fand Johne heraus, dass sich in der Region zwar nach 150 Jahren wieder Wolfsrudel angesiedelt hatten, es jedoch noch keine Bilder der nachtaktiven Tiere gab. Er besorgte sich eine Infrarot kamera, las Fachliteratur, lernte Fährtenlesen und begab sich nachts auf die Suche nach den Wölfen. Seine Wanderung startete Mitte 2006 in dem Ort Podrosche und endete nach fünf Nächten im 80 Kilometer entfernten Zosel. Von den Wöl- fen fand Johne nur Spuren, stattdessen hielt er Kurioses fest, das ihm auf seinem Weg begegnete. Ein Walddorf hatte etwa auf gemeinsamen Beschluss seiner 34 stimmberechtigten Bewohner den Namen »Forrest Village« erhalten . Die Sied- lung war zu einer Westernstadt umgestaltet und eine Bison- herde angesiedelt worden. Die Bewohner organisierten nun Veranstaltungen wie Goldschürfen im Dorfteich. Johnes scheinbar sachliche Berichte über die sächsische Provinz enthalten – wie die Unschärfe der Infrarotaufnahmen – Raum für Fiktion, die der Künstler auszugestalten weiß. Während Sven Johne nach Erzählungen in Orten sucht, be- schäftigt sich Sebastian Stumpf (*1980 in Würzburg) mit Ideo- logien, die sich auf der Oberfläche von Stadt- und Land- schaftsgestaltung abzeichnen. In seinen Performances für die Kamera verlässt Stumpf gängige Bewegungs- bzw. Hand- lungsmuster von Orten, um kleine beiläufige Irritationen zu erzeugen. Das Setting für seine Videoarbeiten »Inseln«, »Zu- flüsse« und die fotografische Serie »Abraum« (alle 2014) bildet die ehemalige Tagebaulandschaft südlich von Leipzig, die seit Anfang der 1990er Jahre renaturiert wird (Abb. 4). Zum Zeit- punkt der Aufnahmen befand sich die Landschaft noch in einem Prozess der Transformation. Die Restlöcher des Braun- kohleabbaus wurden geflutet und die Bepflanzung war noch spärlich. Mit artistischen Sprüngen in den Fotografien und klaren Bewegungslinien bzw. Positionierungen in den Video arbeiten unterstreicht Stumpf die Künstlichkeit der neuen Landschaft, in der ein Mensch wie ein Fremdkörper wirkt. Zugleich ermöglicht seine Präsenz eine Vorstellung von den Größenverhältnissen der abstrakt gewordenen Natur. Abb. 3 S V E N J OH N E | Forrest Village Diptychon, aus: »Wanderung durch die Lausitz«, 2006, C-Print
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy MTMyNjA1