Leseprobe
11 Gruppenaufnahmen. Die bisweilen etwas theatralischen Posen, die Bildhintergründe mit pompösen Draperien, Säulen oder Möbeln darf man nicht Liszt anlasten, sie waren Ideen der Photographen und entsprachen dem Zeitgeschmack. Der starre Gesichtsausdruck und die steife Haltung einiger früherer Bilder sind auf die langen Belichtungszeiten zurück- zuführen. Die Photographien Liszts belegen nicht nur den Wandel seiner Physiognomie, sondern dokumentieren auch die Frühzeit der Photographie, angefangen bei der Daguerreotypie von 1843 über das Kalotypie- und Papiernegativverfahren, das etwa ab 1855 gebräuchliche Kollodiumverfahren, die seit 1860 so beliebten Carte-de-visite-Bilder sowie die Bromsilber/ Gelatineabzüge der 1880er Jahre. Die Frühzeit der Photographie endet ungefähr gleich- zeitig mit Liszts Tod (1886). Bis dahin war jeder Photograph Erfinder, Spekulant und – vor allem – Künstler in einer Person. Experimentierlust, Unternehmertum, Technik und Kunst waren hier stets vereinigt. Zwischen 1880 und 1890 beginnt eine Ausdifferenzierung inner- halb der Photographie, die deren Frühzeit beendet. Statt einer Photographie, die vor allem Kunst sein will, gibt es nun verschiedene Arten von Photographie, die entweder Kunst oder Dokumentation, entweder das Bildwerk des Kunstphotographen oder aber die opti- sche Tagebuchnotiz eines Amateurs sein soll. Ernst Burger
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