Leseprobe
13 1 1 Hermann Biow, Hamburg, Juni 1843. Diese (hier etwa in Originalgröße abgebildete) Daguer- reotypie ist die früheste bisher bekannte Photographie Franz Liszts. Sie zeigt ihn, als er im Zenit seiner Pianis- tenkarriere stand. Hermann Biow (1804–1850), wohl der bedeutendste deutsche Daguerreotypist, gründete eines der ersten photographischen Ateliers in Deutschland. Bereits im August 1841 etablierte er in Altona (erst seit 1937 heißt es Hamburg-Altona), Königstraße 163, eine heliographi- sche Anstalt, in der er »vollkommen ähnliche Portraits, auf Silberplatte, in einer halben Minute bis höchstens zwei Minuten Sitzungszeit« anfertigte. Im August 1842 verlegte er sein Studio auf den Belvedere des »Baum- hauses« in Hamburg und arbeitete ab 1. September 1842 vorübergehend mit dem Daguerreotypisten Carl Ferdinand Stelzner zusammen – ihr gemeinsames Atelier war in der Caffamacherreihe 32 –, ehe er Mitte Mai 1843 am Neuenwall Nr. 24, Ecke Bleichenbrücke, ein eigenes neues Atelier eröffnete. Am 27. Juni 1843 meldet Biow in den Hamburger Nach- richten : »Herr Dr. Franz Liszt hatte während seiner jetzigen Anwesenheit hierselbst die Güte, mir zum Daguerreotyp zu sitzen. Das Portrait dieses berühmten Künstlers habe ich bei Gabory, der Börse gegenüber, zur Ansicht für Kunstfreunde ausgestellt.« Daguerrotypien, so benannt nach ihrem Erfinder Louis Jaques Mandé Daguerre, sind silberbeschichtete polierte Kupferplatten, die unmittelbar vor der Aufnahme mit Joddämpfen lichtempfindlich gemacht werden. Nach der in einer Camera obscura erfolgten Belichtung wird das latente Bild mit Quecksilberdämpfen entwickelt und mit Salzlösung fixiert, anschließend gewässert und getrocknet. Das fertige Positiv war ein Unikat, es gab also kein Negativ und somit auch keine Abzüge. Das photographierte Objekt war seitenverkehrt abge- bildet. (Später verwendete man deshalb gelegentlich einen Reflexspiegel.) Auch das Original der Liszt-Daguerreotypie hat eine seitenverkehrte Darstellung, die hier gezeigte Position ist die seitenrichtige. Wegen der Berühmtheit des Dar- gestellten, dem Rang des Photographen und wegen des frühen Entstehungsjahres ist diese Daguerreotypie ein einzigartiges photo-, kultur- und musikhistorisches Dokument.
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