Leseprobe
84 17 Giovanni Battista Foggini Florenz 1652–1725 Florenz Hippomenes und Atalante Um 1690 Bronze; H. 41,2 cm, B. 48,6 cm (ohne Plinthe) Inv.-Nr. H4 153/4 Provenienz: 1765 aus dem Nachlass des Grafen Heinrich von Brühl erworben Literatur: Lankheit 1962, 83; Raumschüssel in Berlin 1995, 604, Kat.-Nr. 239; Dimitrios Zikos in Wien 2005, 435–437, Kat.-Nr. 289; Dewes 2011, 110–114, 339f., Kat.-Nr. 177 Foggini stand bereits zu Beginn seiner Karriere unter der Pro- tektion des Großherzogs der Toskana, Cosimo III. de’ Medici (1642–1723), der ihn für drei Jahre nach Rom zur Ausbildung sandte. 1676 kehrte er nach Florenz zurück, wo er alsbald eine rege Tätigkeit als Architekt und Bildhauer entfaltete. Nach demTod Ferdinando Taccas 1687 avancierte Foggini nicht nur zum ersten Hofbildhauer, er übernahm auch jene Werkstatt, in der schon Giambologna gearbeitet hatte und widmete sich der Herstellung virtuos modellierter Kleinbronzen. Mit seinen hochbarocken, meist zweifigurigen Bronzegruppen gelang es Foggini, an die durch den großen Flamen im 16. Jahrhundert begründete Tradition erfolgreich anzuknüpfen. Die vorliegende Kleinbronze ist eine charakteristische Arbeit des Meisters, der gern Figuren im Laufschritt, deren Bewegung durch flatternde Draperien noch zusätzlich betont wird, wiedergab. Ihr Thema stammt aus Ovids Metamorphosen , wo die Geschichte von der schönen Jägerin Atalante, die nur denjenigen heiraten wollte, der sie im Wettlauf besiegte, erzählt wird. Auf den Rat von Venus lässt einer der Freier, Hippomenes, während des Rennens nacheinander drei gol- dene Äpfel fallen, die Atalante so entzücken, dass sie sie auf- sammelt, weshalb sie das Ziel erst nach ihrem Herausforderer erreicht. Foggini stellte den Moment dar, in dem Hippomenes den ersten seiner Äpfel hinter sich geworfen hat und sich um dreht, um zu sehen, ob seine List funktioniert. Da der Gruppe ihre ursprüngliche Basis fehlt, die sicher als naturalistisches Terrain gestaltet war, ging auch der am Boden liegende Apfel, nach dem sich Atalante bückt, verloren. Es ist anzunehmen, dass der ursprüngliche Eindruck noch dynamischer war, wäh- rend die Figuren heute auf der glatten Fläche des Ersatzsockels etwas zu schwer anhaften.1 Der kastenartige Sockel verstärkt die bühnenhafte Wir- kung der Figurengruppe, die auch daher rührt, dass sich Fog- gini für seine Atalante an einer Radierung des sehr populären Antonio Tempesta (Abb. 39) orientierte, der 1606 eine Serie von 150 Szenen der Metamorphosen herausgeben hatte, wäh- rend Hippomenes auf eine verlorene Komposition des römi- schen Malers Ciro Ferri zurückgeht.2 Dass Fogginis Klein- bronze mit ihrer klaren Vorderansicht im Aufbau fast wie ein Gemälde wirkt, kommt also nicht von ungefähr, benutzte der Bildhauer doch primär zweidimensionale Vorlagen. Es wurde vorgeschlagen, dass die Kleinbronze aus dem Besitz des Bildhauers Balthasar Permoser (1651–1732) stammen könnte, der lange in Fogginis Werkstatt in Florenz tätig gewe- sen war, bevor er 1698 nach Dresden berufen wurde.3 Da die Bronzegruppe, von der keine weiteren Exemplare bekannt sind, jedoch 1717 und 1729 in Florenz dokumentiert ist,4 muss sie wohl doch auf anderem Wege nach Dresden gelangt sein. Claudia Kryza-Gersch 1 Der glatte Sockel stammt aus der Zeit, als die Gruppe im Besitz des Grafen Brühl war. 2 Dewes 2011, 339. 3 Martin Raumschüssel in Essen 1986, 212, Nr. 240. 4 Dimitrios Zikos in Wien 2005, 436. Abb. 39 Antonio Tempesta, Metamorphoseon sive transformationum , Antwerpen, 1606, pl. 97, SKD, Kupferstich-Kabinett
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