Leseprobe

109 29 Pierre Le Gros d. J. Paris 1666–1719 Rom Marsyas Um 1715 Bronze; H. 68,3 cm, B. 25,8 cm, T. 27,5 cm Inv.-Nr. H4 154/17 Provenienz: Erstmals im Inventar von 1728 erwähnt Literatur: Holzhausen 1939, 174; Souchal 1981, II, 298f., Nr. 42; Baker 1985; Peter Volk in München 1995, 194–196, Kat.-Nr. 29 Die Figur des bocksfüßigen Satyrn Marsyas bildet das Gegen- stück zum Apoll von Le Gros (Kat.-Nr. 28). Nach dem für Marsyas verlorenen Wettstreit veranlasste der Gott als Bestra- fung für dessen Hybris die Häutung des Satyrs. Marsyas steht an einen Baumstamm gefesselt mit angewinkeltem rechtem Bein und windet sich schmerzerfüllt. Sein Kopf ist zur Seite gewandt und nach hinten geneigt, der rechte, emporgestreckte und angewinkelte Arm folgt dieser Bewegung. Der linke Arm ist seitlich hinter dem Körper an den Stamm gelegt. Zur Linken des Satyrs liegt über einer Astgabel noch ein Panther- fell, welches ihn als zum Gefolge des Bacchus gehörig kenn- zeichnet. Links überragt neben dem hohen Stamm ein der Rundung des emporgehobenen Arms folgender Zweig die Figur und verleiht der Komposition damit eine größere Aus- gewogenheit. Der Darstellungstypus des geschundenen Satyrs mit ange- winkeltem Bein und emporgestrecktem Arm entspricht einem sowohl für die Geschichte des Marsyas als auch für die Sebas- tiansmarter verwendeten Typus. Beispiele hierfür sind die in einem einzigen Exemplar überlieferte und einem Nachfolger Desiderios da Firenze zugeschriebene Renaissance-Bronze des Marsyas im Allen Memorial Art Museum in Oberlin, Ohio1 und eine aus dem 17. Jahrhundert stammende Bronze des Sebastian im Londoner Victoria & Albert Museum2. Dem vor allem für seine monumentale Großplastik bekannten Le Gros gelang mit seinen Figuren von Apoll und Marsays auch im kleineren Format eine überzeugende Komposition. Der Marsyas ist sicher die erfolgreichste seiner Kleinplastiken, die in mehreren leicht voneinander differieren- den Versionen überliefert ist, welche in Marmor, Bronze und Terrakotta angefertigt wurden. Die Einordnung der beiden Statuetten in das Schaffen Le Gros’ ist schwierig, jedoch konnte Baker eine Entstehung während eines kurzen Paris­ aufenthalts 1715 wahrscheinlich machen.3 Zum einen befanden sich sowohl die heute verschollene Terrakottaversion, bei der es sich um ein Modell handeln könnte, sowie ein Marmor­ exemplar im 18. Jahrhundert nachweislich in französischen Sammlungen, zum anderen legt auch der Dresdner Ankauf durch Vinache eine Pariser Herkunft nahe. Überliefert ist wei- terhin, dass Le Gros während der kurzen Zeitspanne in Paris Arbeiten für Pierre Crozat anfertigte. Dieser wiederum besaß weitere Modelle von Le Gros, die nach seinem Tod in den Besitz seines Neffen Crozat de Thiers übergingen, welcher 1773 auch im Besitz des Terrakotta- Marsyas war. Birgit Langhanke 1 Peter Volk in München 1995, 194; Nachfolger des Desiderio da Firenze, Marsyas , 1526–1550, Bronze, H. 28,6 cm, Inv.-Nr. R.T. Miller Jr. Fund, 1957.58, Allen Memorial Art Museum, Oberlin College, Ohio. 2 Baker 1985, 705; Französisch, Hl. Sebastian , 17. Jahrhundert, Bronze, H. 39,5 cm, Inv.-Nr. A.111-1910, Victoria & Albert Museum, London. 3 Baker 1985.

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