Leseprobe

52 Delphi – so berichtet Ovid in den Metamorphosen . Über dem Omphalos wurde ein Tempel errichtet und Apoll als dem Gott der Weissagung geweiht. Darüber hinaus war er der Gott der Dichtkunst und der Musik und als solcher Führer der Musen (Apollon Musagetes), weswegen er häufig auch mit der Kithara, einem antiken Saiteninstrument ähnlich der Leier, dargestellt wurde. Hinzu kamen eine aufwendige Frisur, wie sie ebenso der Apoll vom Belvedere trägt, und ein Lorbeerkranz (Abb. 33). Wie fast alle antiken Statuen wurde der Apoll vom Belvedere in Bruchstücken gefunden. Es fehlten der linke Unterarm und die rechte Hand, die aber schon bald ergänzt wurden. Lange galt die Statue zudem als griechisches Marmororiginal und nicht als römische Wiederholung nach einem Werk aus Bronze. Für Letzteres spricht allein schon die bei Kopien aus Stein aus statischen Gründen hinzugefügte Baumstütze, die häufig störend wirkt und nur selten wie beim Apollino (Abb. 34) integraler Bestandteil der Figur ist. Einer der ersten, der zu behaupten wagte, dass der Apoll vom Belvedere aus italieni­ schemMarmor gefertigt ist, womit es sich bei der Statue kaum um ein griechisches Original handeln konnte, sondern viel­ mehr um eine römische Wiederholung nach einem Werk aus Bronze, war kurz vor seinem Tod Anton Raphael Mengs. Mengs’ Ansicht wurde vehement bestritten, bis sie 1789 vom führenden französischen Geologen und Mineralogen Déodat Gratet de Dolomieu bestätigt wurde. Ende des 19. Jahrhun­ derts wurde im Apoll vom Belvedere eine von den antiken Schriftstellern Plinius dem Älteren und Pausanias erwähnte Apoll-Statue des Leochares erkannt – eine Zuschreibung, die heute stark umstritten ist. vor: Dargestellt sei der Moment, in dem »der zürnende Gott« seinen Pfeil auf den Drachen Python abgeschossen habe. Doch keine Spur von Zorn, sondern vielmehr göttliche Gelassenheit und Ruhe sind in den ebenmäßigen, »klassisch-schönen« Gesichtszügen von Apoll auszumachen. Python schließlich findet sich als Reminiszenz in der Schlange wieder, die sich am Baumstamm neben Apoll hochwindet. Apoll wurde stets jugendlich oder als junger Mann darge­ stellt. Er war der Sohn des Zeus (Jupiter) und der Titanin Leto (Latona). Aus Eifersucht hatte Zeus’ Gattin Hera (Juno) der Erde den Schwur abgerungen, Leto nirgends gebären zu lassen und zudem Python auf sie angesetzt. Erst als eine Insel (Delos) aus demMeer aufstieg, konnte Leto Apoll und seine Zwillings­ schwester Artemis (Diana) zur Welt bringen. Aus Rache für die Verfolgung seiner Mutter erschoss Apoll den Python und begrub ihn unter dem Omphalos, dem »Nabel der Welt«, in Abb. 34  Apollino Gips; Höhe mit Plinthe 147,5 cm Original: Römische Kaiserzeit, nach einem hellenistischen Vorbild; Florenz, Uffizien, Inv.-Nr. 229 Inv.-Nr. ASN 2712 Abb. 33  Apollon mit Lorbeerkranz Gips; Höhe mit Sockel 80,5 cm Original: 1. Hälfte 2. Jh. n. Chr., nach einem Vorbild aus dem 4. Jh. v. Chr.; Archäologisches Institut der Universität Göttingen (Leihgabe Sammlung Prinz Ernst August von Hannover) Inv.-Nr. ASN 3691

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