Leseprobe
80 seinem Selbstmord, gebeugt in Scham und Trauer über seinen Anfall von Raserei, in dem er in dem Glauben, es seien Grie chen, die Schafe des Odysseus getötet hatte? Die Skulptur ist von dem Bildhauer Apollonios aus Athen signiert und wird aufgrund dessen in das 1. Jahrhundert vor Christus datiert. Repliken sind bislang nicht bekannt. Daher ist nicht zu entscheiden, ob es sich beim Torso um eine Schöp fung von Apollonios handelt oder ob ihm ein früheres Werk zugrunde liegt. Den offenen Fragen zum Trotz – oder gerade wegen des fragmentierten Zustands und der daraus resultie renden »Deutungsoffenheit« der Figur – entfaltete der Torso eine immense Wirkung in der Malerei der Renaissance und des Barock. Anklänge finden sich imWerk von Rubens, ebenso wie in dem Raffaels ( Vision des Propheten Ezechiel , Florenz, Palazzo Pitti) und besonders Michelangelos, dessen mächtige Gestalten der Propheten und Sibyllen an der Decke der Six tinischen Kapelle den Torso in mehreren Fällen variieren. Das Gleiche gilt für die Figur des heiligen Bartholomäus aus dem Jüngsten Gericht an der Altarwand der Kapelle (Abb. 51). Der Heilige erlitt die gleichen Qualen wie Marsyas. Doch anders als der Satyr sitzt er im Triumph nach dem überwundenen Martyrium auf einer Wolke, das Schindemesser in der einen, die Haut in der anderen Hand. Das Gesicht, so wiederum die Legende, trägt die Züge Michelangelos. Abb. 52 Sitzender Jüngling Mantua, 1. Viertel 16. Jh. Bronze, Höhe 19,3 cm Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Skulpturensammlung, Inv.-Nr. ZV 3554
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