Leseprobe

26 Der Karlsruher Künstlerbund und die Leipziger Verlage B. G. Teubner und R. Voigtländer Dass Karlsruhe zu einem, wenn nicht dem Zentrum der Farblithografie in Deutschland wurde, hing zunächst einmal mit der Existenz der 1854 als Großherzogliche Kunstschule gegründeten Akademie der Bildenden Künste zusammen – mehr aber noch mit den Streitigkeiten innerhalb der Aka- demie, die sich nicht zuletzt um die Entwicklung neuer künstlerischer Möglichkeiten auf dem Feld der Lithografie drehten. Ein erstes markantes Datum war hier die Etablie- rung einer Künstlerkolonie in dem nahe Karlsruhe gelege- nen Grötzingen. Zunächst hatte dort 1888 der an der Karls- ruher Akademie bei Gustav Schönleber ausgebildete Fried- rich Kallmorgen mit seiner gleichfalls als Malerin tätigen Frau Margarethe Hormuth-Kallmorgen mit dem Bau eines Hauses begonnen, um dann seit 1889 regelmäßig in den Wenn einleitend wiederholt auf den Karlsruher Künstlerbund und die an der Kunstakademie eingerichtete lithografische Klasse hingewiesen wurde, so war dies der Rolle Karlsruhes als »Vorort Deutschlands [...] auf dem Gebiet des Farben- steindrucks«  72 geschuldet. Bestätigt wurde diese Bedeu- tung durch die Zusammenarbeit des Künstlerbundes und seiner Kunstdruckerei mit den Leipziger Verlagen B. G. Teub- ner und R. Voigtländer. Diese Kooperation war für die Durchsetzung der Künstlersteinzeichnungen zweifelsohne von entscheidender Bedeutung, und mit einer gewissen Folgerichtigkeit konzentriert sich die spärliche Literatur zum Thema mehr oder minder ausschließlich auf die Trias Karlsruher Künstlerbund, Teubner und Voigtländer.  73 Über- sehen wird dabei allerdings, dass es noch etliche kleine, aber ambitionierte Verlage bzw. Verlagsdruckereien gab, die im Jahrzehnt vor dem Ersten Weltkrieg mit künstleri- schen Farblithografien hervortraten und einen wichtigen Beitrag für die Etablierung des Genres leisteten. Nicht un- wichtig für die Popularisierung der Künstlersteinzeichnung war es ferner, dass sich bedeutende Schulbuch- und Lehr- mittelverlage wie Meinhold in Dresden oder Haase in Prag unter dem Einfluss der Kunsterziehungsbewegung zu einer Erweiterung ihrer Produktpalette verstanden und ne- ben den klassischen, vordergründiger Didaxe verpflichte- ten Schulwandtafeln auch Serien mit Künstlersteinzeich- nungen in ihr Programm aufnahmen.  74 Selbst die auf die von den Kunstreformern verpönten Öldrucke und Chromo- lithografien spezialisierte May’sche Bilderfabrik öffnete sich mit der Serie »Farbige Kunst-Steindrucke« für Farblithografien mit künstlerischem Anspruch.  75 Mit ande- ren Worten: In den ersten eineinhalb Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts wurden die Künstlersteinzeichnungen nachgerade zu einer Modebewegung, die dann freilich mit dem Ersten Weltkrieg deutlich abebbte und ästhetisch überholt wurde. Die Künstlersteinzeichnung und ihre Verlage Eduard Euler, An der Pfinz (H 15 cm, B 12 cm), Künstlerbund Karlsruhe, Karlsruhe, Nr. D 17, 1903

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