Leseprobe

28 1896 kam es deshalb unter reger Beteiligung der Grötzin- ger Malerkolonie zur Sezession, der Gründung des Karlsru- her Künstlerbunds unter der Ägide von Friedrich Kallmorgen und Leopold Graf von Kalckreuth; der eine war seit 1891, der andere seit 1895 Professor an der Karlsruher Akademie. Dies war – und im Titel dieser Publikation kommt es zum Ausdruck – die Geburtsstunde der Künstlersteinzeichnung, denn von Kalckreuth setzte sich vehement und erfolgreich für die lithografische Ausbildung an der Akademie und da- mit grundsätzlich für die Aufwertung der Lithografie im Kreis der Griffelkünste ein. Von Anfang an wurde dabei die Engführung von künstlerischer Entwurfs- und handwerkli- cher Drucktätigkeit angestrebt. 1897 kam es deshalb zur Gründung einer Kunstdruckerei für den Künstlerbund Karls­ ruhe, deren Leiter Carl Langhein wurde, der seit 1892 an der Karlsruher Akademie studiert hatte und der selbst als Maler und Grafiker tätig war und eine ganze Reihe von Künstler- steinzeichnungen vorlegte. Leitgedanke der u. a. von Leopold Graf von Kalckreuth und Carlos Grethe, einem weiteren Karlsruher Professor, unterstützten Steindruckerei war es, »Lithos der Mitglieder des Künstlerbundes zu drucken«  79 – und zwar als Farblitho- grafien. Für die Realisierung dieser gegen die künstlerisch anspruchslose Produktion der Bilderfabriken gerichteten Initiative, mit der gleichzeitig Farbe ins Heim des gebilde- ten Bürgertums gebracht werden sollte, war es zweifels­ ohne von Vorteil, dass sich mit der in Karlsruhe ansässigen G. Braun’schen Hofbuchdruckerei noch 1897 ein kapital- kräftiger Partner fand, der die Steindruckerei übernahm und Langhein als Betriebsleiter beschäftigte. 1901 wurde die noch heute existierende Druckerei in eine GmbH umge- wandelt; sie führt seither die Firmenbezeichnung Kunstdru- ckerei Künstlerbund Karlsruhe mit dem Kürzel KKK. 80 Der Karlsruher Künstlerbund und seine Druckerei tra- ten nun nicht nur mit Originallithografien der Grötzinger Künstlerkolonie hervor, sondern er öffnete sich auch für andere Künstler und nicht zuletzt auch Künstlerinnen. In diesem Kreis meistenteils noch unbekannter und junger Künstler nahm Hans Thoma zweifelsohne eine Sonderrolle ein. 1839 geboren, gehörte er einer deutlich älteren Künstler­ generation an – namentlich sein Frühwerk war allerdings mit der Landschafts- und Naturauffassung der Künstler- steinzeichnungen und deren Programm einer genuin deut- schen und auch volksnahen Kunst kompatibel; um 1900 war Thoma, das in einfachen Verhältnissen aufgewachsene Kind vom Lande, 81 für Cornelius Gurlitt beispielsweise der Haupt­ vertreter einer für jedermann verständlichen Volkskunst und galt ausweislich eines Eintrags in Meyers Großem Konversations-Lexikon als »Lieblingsmaler des deutschen Volkes«. 82 Als »Volkskünstler«, 83 der in seiner Jugendzeit zum Lithografen ausgebildet worden war, hatte der mit sei- nen Ölgemälden in allen großen deutschen Museen vertre- tene Thoma auch keine Berührungsängste gegenüber den vervielfältigenden Künsten. Seit 1895 steuerte er zu den »Zeitgenössischen Kunstblättern« des Leipziger Verlag Breitkopf & Härtel Entwürfe bei und erwies sich als ein sei- ne Popularität geschickt nutzender Vermarktungsstratege: Postkartenmalbücher, 84 Abbildungen seiner Bilder auf Zi- garettenschachteln, seine Mitwirkung als künstlerischer Berater für die Stollwerck-Sammelbilder belegen dies. Dass Thoma mit dem Karlsruher Künstlerbund in Verbindung trat, hing mit seiner 1899 durch den badischen Großherzog erfolgten Berufung zum Direktor der Karlsruher Gemälde­ galerie und zum Professor an der Großherzoglich-Badi- schen Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe zusam- men. Dass er als ein im Zenit seines Ansehens stehender, arrivierter und populärer Künstler bald auch im Katalog des jungen Karlsruher Künstlerbunds vertreten war, war für die- sen sicherlich ein Reputationsgewinn, der zusätzliche Auf- merksamkeit sicherte. Gleichzeitig war es, etwa bei der 1901 von Wilhelm Süs betriebenen Gründung der Karls­ ruher Majolika-Manufaktur, zweifelsohne von Nutzen, dass Thoma ein vertrautes Verhältnis zu Großherzog Friedrich I. pflegte. 85 Die Produktpalette des Künstlerbunds beschränkte sich keineswegs nur auf Einzelblattdrucke, sondern darü- berhinaus hatte er auch Serien von Künstlerpostkarten sowie künstlerisch gestaltete Akzidenzdrucke im Programm: Menü-, Tisch- und Tanzkarten, Konfirmationsscheine, Wein­ etiketten undWeinkarten, Plakate, Briefköpfe, Kaufmanns- bilder etc. All das sollte natürlich originalgrafisch gestaltet Hans Thoma, Der verliebte Fuhrmann (H 23 cm, B 25,5 cm), Künstlerbund Karlsruhe, Karlsruhe, Nr. HT 60, ca. 1900

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