Leseprobe
99 Der Erfolg der Münchener Abspaltung wurde nicht zuletzt durch Unterstützer begünstigt, unter denen vor allem der Druckereibesitzer und Verleger Georg Hirth hervorzuheben ist, 263 der sich nicht nur am Fundraising für ein eigenes Se- zessionsgebäude beteiligte, sondern als Miteigner der »Münchener Neuesten Nachrichten« eine aktive Presse politik zugunsten der neuen Künstlervereinigung betrieb. Hirths Einsatz für das Neue beschränkte sich dabei nicht nur auf den Höhenkamm der Malerei, sondern er war zu- gleich ein aktiver Förderer der Kunstgewerbebewegung und der dekorativen Künste – und er hatte als Verleger ein Ge- spür für die Vermarktung der neuen künstlerischen Strö- mungen: 1896 gründete er gemeinsam mit Fritz von Ostini die Kunst- und Literaturzeitschrift »Jugend«, 264 die einer ganzen Stilrichtung den Namen geben sollte und die einer Vielzahl von Künstlern ein Forum für die Publikation ihrer Arbeiten bot. Dass es in der »Jugend« von Anfang an zum – durch Fortschritte in der Drucktechnik ermöglichten – Pro- gramm gehörte, nicht nur Schwarzweißzeichnungen, son- dern auch farbige Illustrationen zu bringen, sprach die junge Malergeneration besonders an. 265 Zugleich bildete diese Hinwendung zur Farbigkeit die künstlerische Brücke zur Farblithografie bzw. Künstlersteinzeichnung. Nimmt man im Übrigen noch hinzu, dass gleichfalls 1896 der Ver- leger Albert Langen in München die sowohl durch ihre sa- tirischen Texte als auch durch ihren modernen Illustrations- stil zu Ruhm gelangende Zeitschrift »Simplicissimus« grün- dete, 266 lässt sich erahnen, welche Veröffentlichungs- und damit auch Verdienstmöglichkeiten München für junge Künstler bot, die bereit waren, ihr Talent sowohl im Redak- tions- als auch im Anzeigenteil für Zeitschriftenillustratio- nen und Gebrauchsgrafik einzusetzen. Unter jenen Künstlern, die für beide Zeitschriften arbei- teten und zugleich auf dem Feld der Künstlersteinzeichnun- gen tätig wurden, ist neben Angelo Jank, Hellmuth Eichrodt und Franz Hoch vor allem Walter Georgi zu nennen, der an der Münchener Akademie bei Paul Hoecker ausgebildet worden war. Mit seinen bei B. G. Teubner und R. Voigtländer publizierten Blättern wie »Pflügender Bauer«, »Postkut- sche« oder »Münchener Bierkeller« – gewissermaßen die bayerische Nachzüglervariante von Renoirs »Bal au Moulin de la Galette« – legte Georgi Arbeiten vor, die mit der zwar konturierenden, aber gebrochenen Linienführung der Krei- delithografie, ihrer Flächigkeit und der leuchtenden Farbig- keit nachgerade idealtypisch den Münchener »Jugend«-Stil repräsentieren und sich zugleich mit ihrer Motivwahl in den Walter Georgi, Münchener Bierkeller (H 55 cm, B 75 cm), R. Voigtländer, Leipzig, Nr. 126, 1902
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