Leseprobe
130 lerischen Zwecken dient«, 343 und eben auch den Künstler steinzeichnungen. Bereits im dritten Jahrgang 1898/99 und nur etwas mehr als ein Jahr nach der Gründung des Karls- ruher Künstlerbundes erschien in der Zeitschrift eine Wür- digung der »Karlsruher Künstler-Lithographien« durch Jean Louis Sponsel, der im Dresdner Kupferstich-Kabinett das künstlerische Plakat als neues Sammelfeld einführte und der später u. a. zum Direktor des Dresdner Kunstgewerbe- museums ernannt wurde. Sponsel erkannte klar die Chance, durch die moderne, hohe Auflagen und günstigen Preis verbindende künstlerische Farblithografie »dem weniger bemittelten Bürgersmanne ein wirkliches Kunstwerk in’s Haus zu geben« und auf diese Weise die »Kunst zu einem Gemeingut des Volkes werden zu lassen«. In der für die Reformbewegungen um 1900 eigentümlichen Gemengelage von Traditionalismus und Modernität suchte Sponsel dabei die moderne Tendenz zur ästhetischen Durchdringung des Alltags historisch zu legitimieren. Wer behaupte, »die Kunst könne nie volksthümlich werden, ihr Genuss sei immer nur das Vorrecht einiger besonders hochstehender Kreise« ge- wesen, der möge doch die »ganze bürgerliche Kunst in Deutschland während der Reformationszeit« zur Kenntnis nehmen, »wo u. a. auch die besten Werke des Kunstdrucks auf Märkten und Messen feilgehalten wurden«. 344 Sich in den Dienst der Kunstgewerbebewegung stel- lende Zeitschriften wie »Deutsche Kunst und Dekoration« oder der seit 1887 in Dresden, seit 1894 dann in München herausgegebene »Kunstwart« – laut Richard Dehmel der »Leithammel« für den »geistigen Mittelstand« 345 – wand- ten sich vor allem an das gebildete Bürgertum. Bezogen auf die Künstlersteinzeichnungen »für Schule und Haus« wurde Und vollends deutlich wird die Engführung von kunstge- werblicher Raumausstattung und Künstlersteinzeichnungen mit dem sog. Bildwähler des Verlages R. Voigtländer. Es han- delt sich hier um eine Pappschablone, deren Ausstanzung über Abbildungen von Künstlersteinzeichnungen imVerlags- katalog aufgelegt wurde, um die Bildwirkung im Ambiente zweier Zimmer zu erproben, die mit Möbeln der Dresdner Werkstätten für Handwerkskunst ausgestattet waren. Diese Beispiele zeigen recht gut, dass die Künstler- steinzeichnungen in ihrem Entstehungskontext als modern wahrgenommen wurden. Sie waren Teil einer Reformbewe- gung, die imSinne der »Zusammengehörigkeit aller bilden- den Künste [ ...] Architekten, Bildhauer, Maler und techni- sche Künstler, die sog. Kunstgewerbetreibenden [...] Hand in Hand schaffend für ein Grosses Ganzes« zu gewinnen suchte. »Wirkliche, grosse Künstler für die – Kleinkunst«, 342 so lautete denn auch der Aufruf in der 1897 erschienenen Gründungsnummer der Zeitschrift »Deutsche Kunst und Dekoration«, die sich nach demVorbild englischer und fran- zösischer Zeitschriften wie »The Studio« oder »Art et Dé- coration« nicht zuletzt der Wohnungskunst widmete. Die Wohnung als Gesamtkunstwerk, in der Möbel, Tapeten und Wandschmuck aufeinander abgestimmt waren und einen kultivierten Lebensstil signalisierten – was Henry van de Velde etwa mit der Villa Esche in Chemnitz in großem Stil und als Unikat verwirklichte, das sollte durch die Kunstge- werbebewegung an Breitenwirkung gewinnen, auch durch die serielle Fertigung und auch mittels der »vervielfältigen- den Künste«. Die »Deutsche Kunst und Dekoration« kannte deshalb keine Berührungsängste gegenüber der modernen Plakatkunst, der »Amateur-Photographie, soweit sie künst- Bildwähler von R. Voigtländer, Leipzig, mit Interieur der Dresd- ner Werkstätten für Handwerkskunst, 1907
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