Leseprobe

184 gam vor allem aus Spätromantik, Japonismus und Heimat- stil ästhetisch überholt war; spätestens im ErstenWeltkrieg zerbrach die heile Welt der Künstlersteinzeichnungen. Die- ser harte Bruch lässt sich im Übrigen auch an manchen Künstlerbiografien ablesen: Franz Hoch fiel 1916 in den Vogesen; Gustav Kampmann, der 1914 in die Armee einge- treten war und als Leutnant der Reserve in Karlsruhe seinen Dienst tat, ließ sich 1917 krankheitsbedingt beurlauben und befand sich in einer tiefen künstlerischen Krise. Im Au- gust 1917 beging Kampmann Selbstmord. 470 Einige ›Künstlersteinzeichner‹ waren auch als Kriegs- maler im Einsatz und wurden auf diese Weise mit den Schrecken des Krieges konfrontiert. Dessen künstlerische Verarbeitung zeitigte freilich künstlerisch eher problemati- sche Ergebnisse. Ein Künstler wie Ernst Vollbehr zeigte in seinen bei R. Voigtländer publizierten »Wirklichkeitsbildern aus dem Weltkriege« oder den »Künstlerbildern aus dem Weltkriege« zwar auch die zerstörerischeWirkung des Kampf- geschehens, folgte dabei stilistisch aber einer konventio- nellen Militärmalerei in der Tradition des Historismus, die hinter dem ästhetischen Anspruch der Künstlersteinzeich- nungen zurückblieb. Und dort, wo der künstlerische Standard des Genres eingehalten wurde, führte dies zu einer zwischen Melan- cholie und Idyllisierung changierenden Darstellung des Krieges, für die neben Hubert von Zwickles »Gedenkwerk 1914–1918« die in einer kleinen Auflage von 150 Exemplaren erschienene Mappe »20 farbige Steinzeichnungen aus dem links: Otto Hamel, Aus meinem Skizzen- buch. Original-Litho­ graphien zum Besten des Roten Kreuzes, wohl Selbstverlag, o. O., 1916 rechts: Eugen Osswald, 20 farbige Steinzeich- nungen aus dem Feld zu Gunsten der Wittwen- und Waisenkasse des Bayerischen Landwehr Infanterie Regiments Nr. 1, Einbandmappe (H 39 cm, B 29 cm), Selbstverlag, München, 1918 Unold beteiligt waren. Gleichfalls in München erschienen unter der Ägide von Bruno Goldschmitt einige »Münchner Kriegsblätter. Ur-Steindrucke deutscher Künstler«, und für den Verlagsort Berlin ist die Serie »Bunte Kriegsbilder­ bogen« hervorzuheben, in der u. a. der später durch seine Illustrationen zu denWerken Erich Kästners zu Ruhm gelan- gende Walter Trier mit propagandistischen Karikaturen ver- treten war. Ferner ist zu verweisen auf »Krieg und Kunst. Original-Steinzeichnungen der Berliner Sezession« mit Lithografien u. a. von Lovis Corinth, Gino von Finetti, Willy Jaeckel und Emil Pottner. Mit den Begriffen des Künstlerflugblatts, des Ur-Stein- drucks oder der Original-Steinzeichnung wurde zwar ter- minologisch an die auch den Künstlersteinzeichnungen zu- grundeliegende Programmatik angeknüpft, weiten Bevöl- kerungskreisen gleichermaßen anspruchsvolle wie preis- werte Originalgrafik zugänglich zu machen. Sieht man von Angelo Jank ab, der an den »Bunten Kriegsbilderbogen« beteiligt war, hatten die Bilderbogenserien der Jahre 1914/15 mit den Künstlersteinzeichnungen freilich kaum eine per- sonelle Schnittmenge. Vielmehr kündigten sich – die ge- nannten Namen sprechen für sich – eine neue Künstler­ generation und eine neue und modernere Bildsprache an, die allerdings aufgrund ihrer patriotischen Befangenheit von der Darstellung der Kriegsgräuel, wie sie Ludwig Meidner bereits 1914 mit seiner Mappe »Krieg« vorlegte, 469 noch weit entfernt war. Aber es deutete sich eben auch an, dass das für die Künstlersteinzeichnungen konstatierte Amal-

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