Leseprobe
39 Ein Haus für alle Musen. Der Kulturpalast »Wer hat hier gebaut?« Es war kein Geringerer als der 1941 in die USA emigrierte Architekt und Wegbereiter des industrialisierten Bauens, Konrad Wachsmann (1901–1980), der den Kulturpalast bei seinem Besuch in Dresden 1979 als »das Beste und Überzeugendste an der neuen Architektur in Dresden« 1 würdigte. Damals wie heute ist nicht selbstverständlich, dass der Kulturpalast in dieser Form seinen Platz fand, nicht nur örtlich, sondern auch ideell betrachtet. Er ist ein Haus, das mit einer eindrucksvollen Bau- und Wirkungsgeschichte aufwarten konnte, nach 1990 dann in Misskredit geriet und letztlich nach jahrelangemWider- streit überraschend bleiben konnte. Nach seiner Sanierung zeigt er als preisgekröntes Modell auf, dass sich nicht nur Wahrnehmung und Wertschätzung der Nachkriegsmoderne verändert haben, sondern dass sich auch das Ringen um eine für viele bestmögliche Lösung lohnt. Zwei Jahre nach der Wiedereröffnung kommt damit das ganztägig lebhaft von Kulturschaffenden bespielte und der Stadtgesellschaft genutzte Haus im übertragenen Sinne endlich zur Ruhe. Schon in den 1960er Jahren hatte die Planung des Kulturhauses für Wirbel gesorgt. Getragen von dem Wunsch, ein Kulturhaus zu errichten, hatte der Rat der Stadt Dresden 1959 einen Wettbewerb zur Ideenfindung ausgeschrieben. Als Bauplatz war ein sich nördlich des Alt- marktes über vier historische Stadtquartiere erstreckendes Areal bestimmt worden. Er lag am Schnittpunkt zweier neuer städtebaulicher Hauptachsen: der Ernst-Thälmann-Straße (heute Wilsdruffer Straße) als Teil der in den frühen 1950er Jahren angelegten Demonstrations- achse, sowie der zur »Erlebnisachse« gehörenden Schlossstraße. Entsprechend politisch war die Vorgabe des Wettbewerbs, einen städtebaulichen Höhepunkt zu schaffen, der »die Größe und Überlegenheit des Sozialismus zum Ausdruck bringen und im Stadtbild mit seinem Höhenakzent in Erscheinung treten« 2 müsse. Inhaltlich klang dagegen der Volks- hausgedanke an, nämlich ein Zentrum für die künstlerische Selbstbetätigung aller Schich- ten der Bevölkerung zu schaffen. Das umfangreiche Raumprogramm forderte einen großen Mehrzwecksaal, einen separaten Konzertsaal mit den dazugehörigen Garderoben, Instru- menten- und Büroräumen, mehrere kleinere Säle, Räumlichkeiten für das Kabarett »Her- kuleskeule«, eine Musikbibliothek, Restaurants, Klub-, Gesellschafts- und Verwaltungs- räume. 3 Blick in ein Schmetterlings treppenhaus, 2019 Kulturpalast Dresden, Blick in das Foyer des ersten Obergeschosses, Fotografie 1977
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