Leseprobe
5 ALF FURKERT Vorwort Auf- und Umbrüche, Visionen und Hoffnungen prägten die 1960er Jahre. Unter demMantel der DDR-Politik führte der damit verbundene tiefgreifende gesellschaftliche und kulturelle Wandel auch in Dresden zu deutlich sichtbaren Veränderungen in Architektur und Städte- bau. Nach der Abkehr von den »Nationalen Traditionen«, die das Baugeschehen in den 1950er Jahren bestimmten hatten und sich im Dresdner Stadtkern an den seitlichen Platz- kanten des Altmarktes baulich manifestierten, wurde das industrielle Bauen gefördert. Damit sollten nicht allein die enorme Wohnungsnot und der bis dahin nur schleppend vorankommende Wiederaufbau der 1945 schwer zerstörten Städte eilig behoben werden. Vielmehr galt es, eine bessere, von historischen Zwängen befreite und die neue sozialis tische Gesellschaftsform widerspiegelnde Großstadt in Form von modernen Stadtland- schaften entstehen zu lassen. Unter diesem Vorzeichen ist die städtebauliche Vision zu verstehen, an der seit 1962 eifrig geplant wurde und die dann 1969 im Vorfeld des 20. Jah- restages der DDR äußerst öffentlichkeitswirksam in einer Sonderbeilage in der »Sächsi- schen Zeitung« präsentiert wurde. Neben allen politischen Ambitionen spiegeln sich darin auch die von einer ausgesprochenen Technik- und Fortschrittsgläubigkeit geprägten 1960er Jahre wider, die selbst den Traum einer vom Postplatz bis zum Straßburger Platz (damals Fucˇikplatz) führenden »Unterpflasterbahn« einfließen ließen. Dass die städtebaulichen Konzepte letztlich scheiterten und nach dem Ende der DDR eilig der Weg zurück zur histo rischen Stadt gesucht wurde, soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass in dieser Zeit städte bauliche und architektonische Meilensteine entstanden sind. Mit den neuen bautechnischen Möglichkeiten ging die Verwendung neuer Baumaterialien einher; vorgefertigte Sichtbeton elemente, Vorhang-Glas-Fassaden bis hin zu plastisch ausgeformten Metallfassaden ver- änderten grundlegend das Erscheinungsbild der Architektur. Stilistisch hielt so die Nach- kriegsmoderne ihren Einzug und schloss – vorübergehend – zur internationalen Entwick- lung auf. Das in Dresden hinterlassene bauliche Erbe dieser Zeit zeigt deutlich, dass serielle Vorfertigung und rationelle Baumethoden zum ästhetischen Prinzip statt zur Einschrän- kung der architektonischen Gestaltung werden konnten. Die neue Formensprache präsen- tierte sich selbstbewusst und – wie der Kulturpalast nachdrücklich zeigt – auch vielseitig und offen. Der Fernsehturm setzte als Landmarke ein Zeichen, auch wenn er Dresden
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