Leseprobe
25 Flaniermeile und Gesellschaftsraum. Die Prager Straße Die Prager Straße in Dresden, deren Gestaltung sich an der Lijnbaan in Rotterdam orientiert, war ein klares Bekenntnis zur internationalen Architekturmoderne und eines der großen städtebaulichen Ensembles der DDR-Moderne. Sie zeigt, dass der Übergang zum indust- riellen Bauen in der DDR nicht zwangsläufig in normierte Plattenbauten mündete, sondern auch Gestaltungsspielräume für eindrucksvolle Sonderbauten und Stadträume zuließ. Die Entwicklung der Prager Straße nach 1989 steht aber auch für den unsensiblen Umgang mit der Nachkriegsmoderne. Von Anbeginn war die Prager Straße mit Überformungsprozessen verbunden. Um eine dringend benötigte, direkte Hauptverkehrsachse zwischen der Altstadt und dem damaligen, hochfrequentierten Böhmischen Bahnhof zu schaffen, wurde ab 1853 die dichte Gründer- zeitbebauung der Seevorstadt geradlinig durchbrochen. Wohn- und Geschäftshäuser, Läden, Kaufhäuser, Hotels, Cafés, Lichtspielhäuser, Theater und Varietés prägten bald die nur etwa 14 Meter breite Korridorstraße und ließen sie zur beliebtesten Einkaufs- und Ver- gnügungsstraße Dresdens werden. Das geschäftige, bunte Treiben endete aber jäh mit den Luftangriffen im Februar 1945, bei denen die Prager Straße – wie das gesamte Stadt zentrum – nahezu vollständig zerstört wurde. Nach dem Krieg stellte sich die Frage des Wiederaufbaumodells. Oberbürgermeister Walter Weidauer, der die alte Stadtgestalt grund- legend ablehnte, ließ jedoch wenig Raum für intensive Diskussionen und begann mit einer großflächig angelegten Trümmerberäumung. Nach der Gründung der DDR gab dann der Staatsapparat die Leitlinien für Städtebau und Architektur vor. Konkrete Pläne für einen Neuaufbau der Prager Straße fehlten jedoch, so dass das Gebiet in prominenter Innenstadt- lage zwanzig Jahre lang nur eine triste Rasenfläche war. Die »Vergesellschaftung« von Grund und Boden und der wichtigsten Produktionsmittel in der DDR verhinderte auch gleichzeitig private Investitionen jeglicher Art. Allein die Anlage einer völlig neuen (aber schon vor dem Krieg angedachten) Verkehrsachse östlich der Altstadt versprach eine auto- gerechtere Stadt und eine verkehrsberuhigte Prager Straße. 1 Städtebauliche Komposition der Prager Straße, Freihandzeichnung von Hans Konrad, undatiert
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