Leseprobe

22 Auch die antike Sage von Ganymed , Sohn des Königs Tros und angeblich der schönste junge Mann unter den Sterblichen, regte zahlreiche Künstler an, sein Schicksal zu malen. Der Sage nach hatte sich kein Geringerer als der Herrscher des Olymp, der oberste Gott Z E U S in Ganymed verliebt. Er verwandelte sich in die Gestalt eines Adlers und ent führ te Ganymed aus seiner heimatlichen Umgebung. Unter den vielen Darstellungen des Ganymed ist die von REMBRANDT VAN RIJN eine ganz Beson- dere! Statt eines schönen jungen Mannes zeigt uns der Maler ein weinendes, schreiendes Kleinkind, halbnackt und vor lauter Angst und Schrecken in die Luft pinkelnd. Vermutlich hat es gerade noch im Garten gespielt oder Kirschen gegessen. Nun aber wird es am Arm, der vom Schnabel des Adlers geschnappt wird, in die Luft gehoben und seine Mutter , am unteren linken Bildrand, kann nur noch ihre Arme hilflos nach oben strecken. Durch spannungsvolle Hell - Dunkel -Kontraste lenkt der Maler unsere ganze Aufmerksamkeit auf das Kind, während ringsherum Dunkelheit eine bedrohliche Stimmung hervorruft. In den Fängen des Adlers Seit der Entstehung des Bildes vor fast 400 Jah- ren, ist oft versucht worden, eine ERKLÄRUNG für diese Darstellung des Ganymed zu finden. Doch eine einzig richtige Deutung gibt es nicht. Aber vielleicht war Rembrandt auch nur an der Darstellung eines schreienden Babys interes- siert? Wenn Ihr mal in das Gesichtchen eines solchen Kindes schaut, dann seht ihr vielleicht, wie genau Rembrandt diesen Affekt , also dieses Gefühl, beobachtet hat.

RkJQdWJsaXNoZXIy MTMyNjA1