Leseprobe
52 Für Rosalba Carriera und andere venezianische Maler des 18. Jahrhunderts galt »Das Schokoladenmädchen« von JEAN-ÉT I ENNE L IOTARD als »das schönste Pastell, das man je gesehen hat.« Dabei ist das Dargestellte keineswegs spektakulär und aufregend! Eine junge Frau, vermutlich eine Bedienstete , trägt ein Tablett mit einem Glas Wasser und einer Porzellantasse mit Schokolade durch einen schlichten Raum. Was also macht diese Pastellmalerei auf PERGAMENT so besonders? Vermutlich ist es die Kunst von Liotard, farbige KREIDE- PIGMENTE so aufzutragen, zu vermischen und zu verreiben, dass man den Eindruck hat, man sehe ein echtes Wasser- glas; man fühlt das sandgelbe samtene Oberteil und man hört den blaugrauen Taft des Rockes rascheln. Wir, die tag- täglich von Fotos umgeben sind und selbst häufig fotogra- fieren, wissen, wie ähnlich ein Foto der Wirklichkeit sein kann. Aber, dass man mit Pastellkreiden ein Bild schaf- fen kann, das so wirklich- keitsnah wie ein Foto wirkt, das bringt auch noch heute die Besucher zum Stau- nen. Wie mag es da erst den Menschen vor 250 Jahren ergangen sein? Süße Verführungen
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