Leseprobe

96 Polychrome Fassungen als schnelle Individualisierungmöglichkeit Ines Elsner »Uff daß Silbern Pferdt so nach Zelle vorehret, vndt demMahler daß Angesichte zu stafiren bezahlet« Polychrome Fassungen als schnelle Individualisierungs- möglichkeit von Huldigungsgeschenken Im Rahmen des Göttinger Forschungsprojekts zum Huldigungssilber der Welfen des Jün- geren Hauses Braunschweig-Lüneburg 1 fanden sich bei umfangreichen Quellenstudien auch archivalische Hinweise auf polychrome Farbfassungen an Goldschmiedearbeiten. Ausgehend von Beobachtungen zum erhaltenen 13-teiligen Realienbestand des welfischen Huldigungssilbers soll eine Interpretation dieser Quellenfunde versucht und eine Arbeits- hypothese zur Entstehung, Beauftragung und Ausführung von Farbfassungen an Gold- schmiedewerken imnorddeutschen Raum aufgestellt werden. Zunächst sei aber kurz skiz- ziert, was unter Huldigungssilber zu verstehen ist und in welchen Forschungskontext die aufgefundenen Quellen einzuordnen sind. Bei Regierungsantritt eines Fürsten mussten sämtliche Untertanen ihrem neuen Lan- desherrn huldigen und einen Treueid schwören. Dabei wurden zur rechtsverbindlichen Bekräftigung des Schwurakts auch Goldschmiedearbeiten verschenkt. 2 Dies waren zumeist silbervergoldete Trinkgeräte wie Pokale, Becher, Kannen, Becken oder Trinkbrunnen, die beimdas Huldigungszeremoniell abschließendenMahl zum gemeinsamen rituellen Trunk von Landesherr und Untertanenverband verwendet werden konnten. Bei diesen Edel­ metallpräsenten handelte es sich aber weniger um freiwillige Gaben innerhalb einer reziproken Geschenkpraxis als vielmehr um vertikal von unten nach oben dargebrachte Tribute der Untertanen, denen neben einem symbolischen vor allem ein pekuniärer Wert aus Sicht der geschenkempfangenden Fürsten beikam. 3 Im gesamten Heiligen Römischen Reich und weiten Teilen Nord- und Westeuropas (Abb. 1) war das Darbringen von Silbergeschenken im Rahmen von Huldigungen seit dem ausgehenden 15. bis ins späte 18. Jahrhundert verbreitet. 4 Jedoch nur aus einstigemWelfen- besitz haben sich zehn silbervergoldete Pokale, zwei Becher und ein Tischbrunnen erhalten. Zehn dieser 13 Goldschmiedewerke befanden sich im Besitz des am 1. Juni 2008 in Paris verstorbenen Modeschöpfers Yves Saint Laurent und seines Lebensgefährten Pierre Bergé und wurden am 24. Februar 2009 durch das Auktionshaus Christie’s in Paris versteigert. 5 Die übrigen drei Edelmetallobjekte waren bereits in den 1920er Jahren vom Welfenhaus veräußert worden und befinden sich heute in England bzw. den USA.

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