Leseprobe
128 Überlegungen zu farbig gefassten Goldschmiedearbeiten Herbert Reitschuler »Mit ihren nattürlichen farben übermalt« Überlegungen zu farbig gefassten Goldschmiedearbeiten in den Sammlungen des Kunsthistorischen Museums Wien Im Jahr 2018 erfolgten imZuge des Forschungsprojekts zu Farbfassungen auf Goldschmiedearbeiten am Grünen Gewölbe in Dresden auch Untersuchungen an den Objekten der Kunstkammer des Wiener Kunsthistorischen Museums. Dafür konnten nach eingehender Begutachtung dieses Sammlungsbestandes insgesamt 39 farbig gefasste Goldschmiede arbeiten ausgewählt werden. Der vorliegende Beitrag versucht, in der gebotenen Kürze die wesentlichen Ergebnisse dieser Untersuchungen vorzustellen. Die 39 Objekte wurden zur genaueren maltechnischen Analyse mikroskopisch 1 und fotografisch miteinander vergli- chen. Umdie Beobachtungen durch zusätzliche Indizien stützen zu können, entnahmman begleitend 75 Proben an 23 Objekten für eine Bindemittelanalyse mittels Gaschromatograf-Massenspektrografie. 2 Sandarak, Kiefernharz, trocknende Öle, Ei, Kolophonium, Mastix und Enami konnten so eindeutig nachgewiesen werden. Außerdemwurde versucht, das in den Rezepten oft beschriebene Speiköl 3 zu detektieren; jedoch gelang es nur, ätherische Öle als Gruppe zu identifizieren. Vergleiche der analysierten Bindemittelbestandteile mit in historischen Quellen über- lieferten Rezepten ergaben, dass diese meist mit den aufgefundenen Inhaltsstoffen über- einstimmen, auch wenn sie oft mit anderen Harzen oder Ölen ergänzt worden sind. Zu den genutztenMaterialien lässt sich grundsätzlich feststellen, dass seit der Frührenaissance zwei fertige Öl-Harz-Firnis-Produkte existierten, die in Apotheken und Drogerien vertrieben wurden und sowohl als Bindemittel als auch als Malmittel zum Einsatz kamen. 4 Schon Cennino Cennini schreibt von einem flüssigen Firnis zumAnmischen von Farben, genannt »vernice liquida«, 5 bestehend aus Sandarak und Leinöl (imVerhältnis 1:3). 6 Auch der Begriff »vernice commune« kommt immer wieder in der Literatur vor. Das im »MarcianaManuskript« genannte Rezept, welches aus einer Sammlung ebensolcher von unbekannten Autoren stammt, beschreibt es als »buona da invernichare quello che vuoi« 7 (»Gut, um damit zu la ckieren, was du willst.«). Es handelt sich also um einen als »gewöhnlich« bezeichneten Firnis, der vermutlich eher eine Art Basis für die weitere Verarbeitung jeglicher Art, auch zum Mischen mit Pigmenten, darstellte. Verschiedene Beschreibungen dieser Basis beinhalten meist Leinöl sowie Pece Greca (Kolophonium), 8 welches dem in mehreren Proben nach gewiesenen Kiefernharz entspricht. Beide oder ähnliche Firnisrezepte könnten aufgrund der Untersuchungsergebnisse zum Anmischen der Farben zur Anwendung gekommen sein.
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