Leseprobe
34 la révolution erschienen war. Mit ihrer luxuriösen Aufmachung und den assoziativen Bild-Text-Bezügen übertraf Minotaure zugleich die thematisch weniger breiten Cahiers d’art von Christian Zervos, die bis dahin wohl die am anspruchsvollsten gestaltete Kunstzeitschrift waren.6 Minotaure besaß ein Format etwas größer als A4, war prächtig illustriert, hatte ein farbiges Titelbild, das jeweils durch einen prominenten Künstler gestaltet wurde, und war auf hochwertigem Papier gedruckt. Die Technik der Helio gravüre erlaubte die qualitätvolle Reproduktion von Fotografien in Halbtönen, die Ende der 1920er Jahre von Zeitschriften wie Vu oder Arts et métiers graphiques vermehrt eingesetzt wurde.7 Der aus Griechenland stammende Tériade wiederum hatte bis vor Kurzem für die Cahiers d’art geschrieben und schon 1928 in der Wochenzeitschrift L’Intransigeant über einen Besuch in Picassos Atelier berichtet, als er den Künstler angeblich bei der Arbeit an einer Skulptur vorfand.8 Der Kunstkritiker begleitete Brassaï und Picasso nach Boisgeloup und war wie Skira ein häufiger Gast im Atelier in der Rue la Boétie, das sich direkt neben dem Büro der Zeitschrift befand. Tériade war offenbar grundsätzlich an fotografischen Aufnahmen aus den Ateliers der Künstler interessiert, empfahl er doch Brassaï schon 1931, Maler und Bildhauer an ihren Wirkungsstätten zu fotografieren und ein Buch daraus zu erstellen.9 Als sich die beiden Anfang der 1930er Jahre im bekannten Café du Dôme kennenlernten, verfügte Brassaï, der 1924 mit dem Ziel nach Paris gekommen war, sich als Maler zu etablieren, über ein aktives soziales Umfeld mit teils engen Bindungen. Er arbeitete als Journalist für deutsche, ungarische und zunehmend auch französische Illustrierte und war es somit gewohnt, Aufträge auszuführen, bevor er Ende der 1920er Jahre zu foto- grafieren begann.10 Zum Zeitpunkt des Auftrags für den Minotaure war Brassaï im Begriff, sich als Fotograf einen Namen zu machen. Er hatte bereits an mehreren Gruppen ausstellungen teilgenommen, und die Veröffentlichung des Fotobuchs Paris de Nuit machte von sich reden. Dass Tériade die Nachtaufnahmen für dieses Buch nicht nur kannte, sondern sie wohl auch schätzte und einen Artikel für L’Intransigeant plante, berichtete Brassaï in einem Brief an seine Eltern.11 Neben ihrer exzellenten technischen Ausführung zeichnen sich die Fotografien durch einen neuen Blick auf die Stadt Paris, Abb.2 Minotaure ,Heft 1 (Juni 1933), S.8/9 (Fotografien: Brassaï)
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