Leseprobe

57 Das außergewöhnlich kleine, an eine kostbare Goldschmiedearbeit erinnernde Trip­ tychon entstand für die private Andacht eines Zeitgenossen Jan van Eycks. Der Blick öffnet sich in einen Kirchenraum, der einer romanischen Basilika ähnlich ist. Im Zentrum thront die Muttergottes mit ihrem Kind – genau an der Stelle des Laienal­ tars in einer mittelalterlichen Kirche. Maria und Christus schauen in die Richtung des sie anbetenden Stifters, der auf dem linken Altarflügel am unteren Bildrand kniet. Marias zarte Gestalt ist der christlichen Farbsymbolik folgend in ein blaues Kleid und einen weiten roten Mantel gehüllt. Zur Rechten steht die heilige Katharina von Alexandrien mit ihren Attributen Krone, Buch, Schwert und Rad. Im linken Seitenschiff drängen sich der nach burgundischer Hofmode gekleidete Auftraggeber und der Erzengel Michael. Auf den Altaraußenflügeln sind die Jungfrau Maria und der Verkündigungsengel Gabriel in Grisaillemalerei dargestellt, sodass die Illusion von Elfenbein- oder Alabasterfiguren erweckt wird. Die Komposition des Triptychons folgt einem komplexen geometrischen System, das auch die von Van Eyck selbst bemalten, mit lateinischen Inschriften versehenen Rahmen mit einbezieht. Die Texte der Altarinschriften sind für den liturgischen Gebrauch in St. Donatian in Brügge im 15. Jahrhundert nachgewiesen, jene Kirche, der Jan van Eyck – seit 1432 Bürger der Stadt – eng verbunden war.  | un

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