Leseprobe

4 »Der größte Schatz von Alterthümern befindet sich zu Dreßden […] ich kann aber das Vorzüglichste von Schönheit nicht angeben, weil die besten Statuen in einem Schuppen von Bretern wie die Heringe gepacket, standen […].« 1 Johann JoachimWinckelmanns berühmte Klage aus dem Jahr 1763 hebt zwei zentrale Aspekte hervor: die herausragende Qualität der Dresdner Antikensamm- lung, in der sich einzigartige Marmorskulpturen befanden und die deshalb von dem Gelehrten als unübertroffene Sammlung betrachtet wurde, und die dringende Not- wendigkeit einer Aufstellung, die dem prächtigen Ensemble und seiner Bedeutung gerecht würde. Die neue Präsentation der Skulpturen von der Antike bis zum Klas- sizismus in der glanzvoll renovierten Sempergalerie am Zwinger versucht nun, diesem Anspruch Genüge zu tun. Die Skulpturensammlung bis 1800 besteht heute aus vier wesentlichen Teilen: der Antikensammlung, der Sammlung mittelalterlicher Plastik, der Sammlung der Renaissance- und Barockskulptur sowie der Abgusssammlung. Während die goti- schen Schnitzfiguren seit 2009 als Leihgabe der Dresdner Skulpturensammlung im Chemnitzer Schlossbergmuseum ausgestellt sind, wurden die anderen Teile der Sammlung nach der Neukonzeption des Albertinums 2010 lediglich in verschiede- nen Schaudepots gezeigt. Mit der neuen Dauerausstellung der Antiken in der Ost- halle des Semperbaus und der Skulptur der Renaissance und des Barock im Skulp- turengang sowie in Gegenüberstellung zu den Gemälden Alter Meister kommt die Pracht der vor 1800 entstandenen Skulpturen wieder bestens zur Geltung. Die Grundlage der Dresdner Kunstsammlungen bildete die seit 1560 im Resi- denzschloss angesiedelte, von Kurfürst August (reg. 1553–1586) initiierte Kunstkam- mer. Dort wurden neben Gemälden ebenso kunsthandwerkliche Gegenstände, Natu- ralien, Mineralien, wissenschaftliche Instrumente und Uhren ausgestellt. Dank der 1587 verfassten Inventarliste der aufbewahrten Objekte wissen wir beispielsweise, dass sich schon damals mehrere bedeutende Statuetten von Giambologna in kurfürst- lichem Besitz befanden. Dazu zählen Nessus und Deianira (S. 140) oder Merkur und die Schlafende Venus mit Satyr (beide heute im Grünen Gewölbe) – Werke, die der toskanische Großherzog Francesco I. de’ Medici an Kurfürst Christian I. übersandt hatte. Auch vom Mantuaner Herzog Guglielmo Gonzaga erhielt der sächsische Regent zu seinem Regierungsantritt Präsente (darunter Filaretes Marc Aurel , S. 124), und von Giambologna selbst: Der flämische Bildhauer machte ihm die berühmte »Der größte Schatz von Alterthümern befindet sich zu Dreßden« Zur Geschichte der Dresdner Skulpturensammlung Stephan Koja

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