Leseprobe

14 Erzherzog Maximilian von Österreich von Hubert Gerhard (Abb. 2). 16 Freilich hat auch für die Handzeichnungssammlung zu gelten, dass sie nicht vollständig, sondern nach Verkäufen nur in vermindertem Umfang erhalten und daher – wie im Anhang näher erläutert wird – nur in rekonst- ruierter Form fassbar ist. Der Grund für diese geringen Kenntnisse ist eine Folge des Umgangs mit Städels Vermächtnis. Seine Bücher-, Zeich- nungs- und Kupferstichsammlung wurde nach und nach mit anderen, zu einem späteren Zeit- punkt für das Städelsche Kunstinstitut erworbe- nen Beständen vereinigt, weshalb sich ihr spezifi- scher Charakter schnell verlor. Obgleich noch getrennt aufbewahrt, wurden die Städel’schen Zeichnungen 1820 gemeinsam mit der 1817 ins Kunstinstitut gekommenen Sammlung von Dr. Johann Georg Grambs (1756–1817) und ersten eigenen Erwerbungen als Grundstock des neu gegründeten Kunstinstituts betrachtet. 17 Eine Erinnerung von Goethe lässt für das 18. Jahrhundert, aber doch epochenübergrei- fend, die Mischung von Faszination und Besitz­ wunsch anschaulich werden, aus der sich Sam- meln im Kern motiviert. Als der Dichter im Juli 1775 im Kloster Einsiedeln einen Kupferstich von Martin Schongauer sah, war er zutiefst berührt und kommentierte im Rückblick, man werde von einem Kunstwerk »dergestalt ergriffen, daß wir die Begierde, das gleiche zu besitzen, den Anblick immer wiederholen zu können – es mag noch so viel Zeit dazwischen verfließen – nicht wieder loswerden«. 18 Man kann nur vermuten, dass Städels Äußerung, von Jugend an habe er sich der Kunst aus Liebhaberei gewidmet, in diesem Sinne zu verstehen ist. Aber schon, als er 1763 – dem frühesten bekannten Datum eines Gemäldeankaufs – auf einer Auktion mitbot, hatte sich vielleicht seine Sicht auf diese Dinge verschoben. 19 Wie immer es sich hiermit im Einzelnen ver- halten mag, aus dem Erwerb faszinierender Ein- zelstücke ist die Existenz einer Sammlung nicht herzuleiten, in der Zeichnungen aller europäi- schen Schulen seit der Renaissance (Abb. 3) bis in die eigene Gegenwart Städels zusammengetra- gen wurden. 20 Und Überlegungen noch grund- sätzlicherer Natur werden der Entscheidung vorausgegangen sein, das persönliche Eigentum in einer öffentlich zugänglichen Institution zu sozialisieren. Städels Sammlung scheint folglich nicht das Ergebnis eines einfachen Anhäufens gewesen zu sein, sondern das Resultat einer nach und nach präzisierten Zielvorstellung und darauf abgestimmter Ankäufe. Bei nur wenigen explizi- ten Äußerungen allgemeiner Natur ist Städels Ziel am ehesten aus dem Charakter der Sammlung selbst und der darin realisierten Konzeption zu erkennen. Vor kunsthistorischen Fragen sind dabei zunächst die materiellen Gegebenheiten von Städels Erwerbungen in den Blick zu nehmen. Allerdings kann es nicht darum gehen, den finan- ziellen Aufwand abzuschätzen (dies wäre authen- tisch auch kaum zu bewerkstelligen), sondern aus den Erwerbungsumständen auf die Dimension seiner Bestrebungen zu schließen. Viele Zeichnungen gehörten vor ihrem Ankauf zu französischen, holländischen und flämischen, englischen, schweizerischen, kaum deutschen Sammlungen. Es kamen Arbeiten zu Städel nach Frankfurt, die in den großen Zentren – in Paris, Amsterdam oder London – gehandelt worden waren. In Ermangelung näherer Quellen über seine Ankäufe, lassen sich die Erwerbungs­ umstände nur indirekt erschließen. Aus einer größeren Anzahl von Beispielen ergibt sich aber eine Detailfülle, die einen Einblick in die Abläufe gewährt und einen Zugang zur Aufbauleistung und zur Konzeption dieses Sammlungsbereiches, der Sammlung der Handzeichnungen, eröffnet. Abb. 2 Hubert Gerhard, Reiterbildnis von Erzherzog Maximilian von Öster- reich , 1610/1618, Bronze, 49 cm. Liebieghaus Skulpturensammlung, Frankfurt am Main (Inv. St. P. 129)

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