Leseprobe

15 Erwerbungen aus dem internationalen Kunsthandel: Frankreich und England Herausragende Zeichnungen der Städelschen Sammlung stammten aus der Sammlung von Pierre Jean Mariette (1694–1774) in Paris. Der Kunstbesitz dieses bedeutenden Grafikspezi- alisten und Kenners kam 1775 auf einer Auktion zum Verkauf (Abb. 4–5). 21 Zwar hat man über- legt, ob Städel bei der Versteigerung in Paris selbst anwesend war und mitgeboten hat, jedoch wurden viele, wenn nicht sogar alle der etwa 35 nach Frankfurt gekommenen Blätter verschiede- nen Händlern zugeschlagen oder gehörten zwei- fellos, bevor sie zu Städel kamen, zu anderen Sammlungen (Kat. 4, 8–9, 13, 19–20, 74; Abb. 4, 31). 22 Es ist nicht vollkommen auszuschließen, dass Städel 1775 in die französische Hauptstadt gereist ist oder dort aus der Ferne Agenten für sich bieten ließ, allerdings ist es wahrscheinlicher, dass er die Zeichnungen erst zeitversetzt auf dem Kunstmarkt erworben hat. 23 Daher ist überhaupt fraglich, ob sich Städel regelmäßig zu Versteige- rungen eingefunden hat. Die öffentliche Auktion, mit der Vorbesichtigung als obligater Prüfung des Angebots, muss als ein soziales Ereignis von besonderem Charakter gelten. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass Städel bereit war, seine finanziellen Möglichkeiten in dieser Form zur Schau zu stellen – ganz abgesehen von der Hektik und dem sich darin realisierenden Sozialprestige, wie es Jean George Wille für diese Anlässe in Paris geschildert hat. 24 Ähnlich wie bei Mariette wird es sich mit Zeichnungen verhalten haben, die aus englischen Sammlungen nach Frankfurt kamen (Kat. 80). 25 Eine Studie (Abb. 6) unter dem Namen des italie- nischen Renaissance-Meisters Girolamo Siciolante da Sermoneta (1521– um 1580) – alternativ dem niederländischen Künstler Jan Swart (1490/1500– um 1560) zugeschrieben – hat 1803 der Sammler und Händler William Young Ottley (1771–1836) auf einer Auktion in London angeboten. Von hier kam das Blatt zu dem Pariser Kunsthändler Guillaume Jean Constantin (1755–1816) und wurde erst dann von Städel erworben. 26 Analog gelangte eine Darstellung des Heiligen Felix von Cantalice zu Füßen der Madonna mit dem Kind Abb. 3 Florentiner Meister (Umkreis Sandro Botticelli), Studie von drei Figuren , um 1470/1480, Metallstift (Bleigriffel?), weiß gehöht, auf violett grundiertem Papier, 197×243 mm (Inv. 416)

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