Leseprobe

108 Französische Zeichnungen Feder in Braun, braun laviert, über schwarzem Stift, Grafitstift (Architektur, unter Nutzung eines Lineals), Klebekorrektur (Figur auf Kaminsims), 410×254 mm; in französischer Montierung des späten 18. Jahrhunderts ganzflächig aufgelegt Wasserzeichen nicht feststellbar, Stegabstände (vertikal) nicht erkennbar Oben rechts im Kapitell vom Zeichner beschrif- tet mit dem ligierten Monogramm »AM« Unterhalb der Zeichnung auf dem Auflage­ karton beschriftet mit schwarzer Kreide »Jacques Callot« Auf der Rückseite (auf dem Auflagekarton) unten rechts beschriftet mit der Feder in Dunkelbraun »Jacques Call[]« (L. 3000, Handschrift, s. Anhang/Dok., F/III), in der Mitte mit der Feder in Dunkelbraun »Callot«, unten am Rand mit der Feder in Braun »N°. 37 Jacques Callot.« (s. Anhang/Dok., F/II), in der Mitte Stempel des Städelschen Kunstinstituts (L. 2356) mit der dazugehörigen Inventar­ nummer 1152 (Bleistift) PROVENIENZ Guillaume Jean Constantin (1755–1816), Paris, Kunsthändler (L. 3000, Handschrift) Johann Friedrich Städel (1728–1816), Frank- furt am Main (sammlungsgeschichtlich ermit- telt, s. Anhang/Dok., F/II & F/III) Städelsches Kunstinstitut, Frankfurt am Main, Stiftung 1816, Inventar 1862, als J. Callot, Inv. 1152 27 Unbekannter französischer Künstler (um 1630) In Städels Sammlung: Jacques Callot Entwurf für einen Kamin, um 1630 Den Entwurf für einen prächtigen Kamin hat der Pariser Kunsthändler Constantin als Arbeit von Jacques Callot (1592–1635) angeboten, der für seine feinsinnigen Radie- rungen berühmt war. Diese Zuordnung, in der sich eine Kenntnis der freien Pinselskiz- zen des Künstlers spiegelt, ist nach der rück- seitigen Angabe auch bei Johann Friedrich Städel gültig gewesen. 1 Callots Autorschaft hat sich in der Folge nicht bestätigt, ebenso wenig wie für eine Hirschjagd (Abb. 61), die bei Städel unter seinem Namen einge- ordnet war, aber vermutlich von Israël Silvestre (1621–1691) stammt. 2 In der Sammlung gehörten diese Blätter zeitlich zu den frühesten französischen Arbeiten; mehrere Zeichnungen dieser Schule aus dem 16. Jahrhunderts galten bei Städel als italienisch (Kat. 8). 3 Der Kamin ist nach den Regeln klassi- scher Architektur konstruiert und präzise mit dem Stift entworfen, im figürlichen Schmuck wechselte der Zeichner aber zu einem breit aufsetzenden Pinsel. Die flankie- renden Standfiguren wirken zierlich, mit den anderen Schmuckelementen heben sie sich aber deutlich vor der Architektur ab. Peter Fuhring und Dominique Cordellier haben den Entwurf stilistisch um 1620/1630 datiert. 4 Technisch steht das Blatt Arbeiten von Toussaint Dubreuil (1558/1561–1602) nahe, der um 1600 in Paris tätig war. 5 Das Wappen in der Bekrönung gehörte – wie an den dahinter gekreuzten bâtons abzulesen – einem Maréchal de France. Nach dem Sparren und den angedeuteten heraldischen Löwen ist es das von Antoine Coëffier de Ruzé, Marquis d’Effiat (1581– 1632), der am 1. Januar 1631 von Louis XIII. (1601–1643) zum maréchal ernannt wurde, aber schon am 27. Juli 1632 starb. 6 De Ruzé hatte für ein Schloss in Chilly und den Fami- liensitz in Effiat, neben dem er auch eine Kirche für die Société de l’Oratoire (Orato- rianer) errichten ließ, zunächst den Archi- tekten Clément Métezeau (1581–1652) verpflichtet, um 1629/30 wurden die Pro- jekte aber Jacques Lemercier (1585?–1654) übertragen. Ab Ende 1630 war in Effiat außerdem der maître maçon und spätere Architekt Simon de la Vallée (1590 ?–1642) beschäftigt. 7 Der Kaminentwurf könnte auf Lemercier oder de la Vallée zurückgehen, es aber nicht sicher, für welches Anwesen er gedacht war und ob er überhaupt vor dem Tod de Ruzés realisiert wurde. 8 Der Figurenschmuck hebt auf militäri- sche Errungenschaften ab. Links ist Pruden- tia (Weisheit) zu erkennen. Im Feldherrn rechts, der einen Siegeskranz hält und auf brennenden Waffen steht, sind Fortitudo (Stärke) und – als Folge des Siegs – der Friede verbunden. Das Monogramm »AM« rechts oben wird für Ave Maria stehen und die Bindung de Ruzés an den Oratorianer­ orden andeuten. 9 Die Figur auf dem Kamin- sims ist auf einem zusätzlichen Papierstück gezeichnet und überklebt eine frühere Lösung. Die Bedeutung der drei Winkeleisen in ihrem Schoß – Sinnbild der Baukunst oder Emblem des guten Richters – ist noch unge- klärt. 10 Offen ist das Bildthema, das für den kräftig profilierten, achteckigen Rahmen im Kaminspiegel vorgesehen war. Abb. 61 Israël Silvestre, zugeschrieben, Hirschjagd , um 1630(?), Feder in Braun, 113×248 mm (Inv. 1155)

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