Leseprobe
110 Französische Zeichnungen Schwarze und weiße Kreide, Spuren von roter Kreide, auf hellbraunem Papier, 358×276 mm Wasserzeichen nicht vorhanden, Stegabstände (vertikal) |24|25|25|22|25|25|26|23|25|21| Unten rechts Reste einer abgeschnittenen Aufschrift mit der Feder in Braun Verso: Rückenansicht eines nach links schrei- tenden Mannes Schwarze und weiße Kreide; an den Rändern Klebefalzmontierung Unten links Stempel des Städelschen Kunst instituts (L. 2356) mit der dazugehörigen Inventarnummer 4285 (Bleistift) PROVENIENZ Johann Friedrich Städel (1728–1816), Frankfurt am Main ( Catalogue 1825) Städelsches Kunstinstitut, Frankfurt am Main, Stiftung 1816, Catalogue 1825, École italienne, Inconnus de l’école d’Italie, »Etude d’un homme qui fait un geste comme s’il vouloit frapper quelque chose à terre devant lui. Sur le dos de ce dessein encore un homme debout tenant un baton. Dessiné aux crayons noir et blanc sur un papier brun. 11 ' –×12 ' – [297×324 mm]« (Messfehler?), Inventar 1862, als G. B. Piazetta, Inv. 4285 28 Simon Vouet (Paris 1590 –1649 Paris), Umkreis In Städels Sammlung: Unbekannter italienischer Meister Ein sich nach rechts bückender Mann mit Kopfbinde, um 1630(?) Im Auswahlkatalog der Sammlung von Johann Friedrich Städel, um 1825, galt diese Zeichnung als Arbeit eines unbekannten italienischen Meisters, ohne Eingrenzung der Entstehungszeit. Im Vergleich mit Zeich- nungen von Giovanni Battista Piazzetta (s. Kat. 25) hielt man das Blatt im 19. Jahr- hundert für eine Studie dieses venezia nischen Meisters. Erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts hat Jean-François Méjanes den französischen Künstler Simon Vouet als Autor namhaft gemacht, jedoch mit der Einschränkung, das Blatt sei in seinem Umkreis oder seiner Werkstatt entstanden. Vergleichbare Verschiebungen in der Bewer- tung von Autorschaft, Herkunftsregion oder Chronologie sind selten, ein spezieller Fall ist eine Zeichnung von Joris Hoefnagel, die bei Städel dem Venezianer Canaletto zuge- schrieben war (Kat. 67). Vouet war noch jung, 1613/14, nach Italien gekommen und arbeitete in Rom als angesehener Maler. 1628 kehrte er nach Frankreich zurück, wo er die Neuerungen des römischen Barock, vor allem das drama- tische Hell-Dunkel Caravaggios, bekannt machte, freilich verbunden mit einem eige- nen, ungemein reichen Kolorit. Zeichnungen Vouets aus seiner italienischen Zeit sind selten. Seine Figurenstudien mit Kreide, weiß gehöht und meist auf einem hellbrau- nen Papier ausgeführt, nehmen vielleicht Vorbilder der römischen Carracci-Nachfolge auf. Der sich bückende Mann der Frankfur- ter Zeichnung stimmt mit einer Figur auf der Tapisserie Simson auf dem Fest der Philister (Richter, XVI, 25) überein, die Vouet unmit- telbar nach seiner Rückkehr aus Italien im Auftrag von König Louis XIII. (1601–1643) für eine Teppichfolge mit alttestamentlichen Szenen entworfen hat. Die entsprechende Tapisserie ist nicht erhalten, ihr Aussehen ist aber durch einen Nachstich von François Tortebat (um 1620–1690) überliefert. 1 Die Frankfurter Studie entspricht einem Mann, der sich rechts im Mittelgrund hinter Simson herabbeugt, um mit der Hand einen Korb am Griff zu fassen. 2 Die Zeichenweise mit stellenweise abrupten Übergängen und flächigen Schraf- furen weicht von eigenhändigen Arbeiten ab. 3 Es wird sich um eine Kopie nach einer verschollenen Vorzeichnung Vouets han- deln. Die Vorlage gehörte zu einem Werk- verfahren, in dem einzelne Figuren systema- tisch studiert wurden, ein Vorgehen, das für die akademische Kunst im Frankreich des 17. Jahrhunderts (Kat. 30) vorbildlich wurde. Mit Vouet begann eine neue Ausrichtung der französischen Malerei. Die Spuren der Kunst Caravaggios traten dabei freilich hinter einen klassisch, akademisch ausge- richteten Stil zurück, der unter König Louis XIV. (1638–1715) verbindlich wurde. Nicht nur im Machtzentrum Paris, sondern auch in anderen Regionen Frankreichs bean- spruchte diese Orientierung bis zum Ende des 17. Jahrhunderts uneingeschränkte Gültigkeit. Von dem in Toulouse arbeitenden Antoine Rivalz (1667–1735) besaß Städel zwei großformatige Entwürfe (Abb. 62), die aus dem Warenbestand des Pariser Händ- lers Constantin zu ihm gekommen waren. 4 Abb. 62 Antoine Rivalz, Realpräsenz Christi in der Eucharistie , 1728/1735(?), Schwarze, ockerfarbene und weiße Kreide, auf braunem Papier, 578×744 mm (Inv. 1780)
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