Leseprobe
124 Französische Zeichnungen Schwarze, weiße und rote Kreide, auf blauem Papier, 266×378 mm; in einer Montierung von François Renaud (L.1042) ganzflächig aufgelegt Wasserzeichen nicht feststellbar, Stegabstände (horizontal) |38|33|30|30|30|31|30|32| Bezeichnet unten links mit der Feder in Braun »J. huet · 1768 ··«, unten rechts beschriftet mit der Feder in Braun »P 9«; auf der Montie- rung unten rechts Trockenstempel François Renaud (L.1042), unterhalb des Blattes beschriftet mit Bleistift »J. B. Huet fec«, rechts unten »13 p 9–9 p 9« Auf der Rückseite (auf dem Auflagekarton) unten links in der Ecke beschriftet mit der Feder in Braun »[N° 2]49 ·«, unten am Rand in der Mitte »N. 8 | N. 38 | J. B. Huet« (s. Anhang/ Dok., F/II), daneben mit Bleistift »L. H.«; unten in der Mitte Stempel des Städelschen Kunst instituts (L. 2356) mit der dazugehörigen Inventarnummer 1201 (Bleistift) PROVENIENZ Unbekannter französischer Sammler des 18. Jahrhunderts (Montierung durch François Renaud, L. 1042) 1 Johann Friedrich Städel (1728–1816), Frank- furt am Main ( Catalogue 1825) Städelsches Kunstinstitut, Frankfurt am Main, Stiftung 1816, Catalogue 1825, École française, »J. B. Huet, Etude de trois têtes de mouton. [Bezeichnung] J. Huet 1768. Aux crayons noir et blanc, sur un papier bleu. 13 ' 9×9 ' 9 [371× 263 mm]«, Inventar 1862, als J. B. Huet, Inv. 1201 35 Jean Baptiste Marie Huet (Paris 1745 –1811 Paris) Drei Köpfe eines Schafes, wachend und schlafend, 1768 Rechts auf diesem Blatt sind die Köpfe von zwei schlafenden Schafen dargestellt, mit geschlossenen Augen, aber mit witternd aufgestellten Ohren. Sie sind leicht versetzt im Profil übereinander gezeichnet und stehen in Kontrast zu dem von vorn gesehe- nen Kopf auf der linken Seite mit aufmun- ternd neugierigen Zügen. Trotz der feinen Beobachtung ist diese Art der Zusammen- stellung anatomisch kaum nachvollziehbar. Im Gegenteil, die starken Überschneidungen sprechen für ein artifizielles Arrangement, wie es für eine Reinzeichnung konzipiert wird, sich aber nur selten beim Zeichnen nach der Natur ergibt. Mit dieser Funktion steht nicht nur die ausgewogene Disposition im Querformat des Papierbogens im Ein- klang, sondern auch die Ausführung mit kurzen, im Andruck wechselnden Kreidestri- chen, mit denen die Körper geformt wurden und das zottelige Fell der Tiere anschaulich nachgebildet ist. Sparsame Akzente in Rot und, für die Lichtführung, in Weiß verleihen dem Blatt im Zusammenspiel mit dem blauen Papier als Mittelton einen repräsen- tativen Charakter. Vermutlich griff Huet für die Darstellung auf einen Motivfundus zurück, aus dem er frei kombinierte. Hierfür spricht, dass ein- zelne Köpfe der Zeichnung auch druckgra- fisch wiedergegeben wurden. 2 Vielleicht gezielt für den Kunstmarkt angefertigt, hat ein unbekannter Sammler das Blatt vermut- lich schon bald nach der Ausführung, 1768, erworben und dem um 1800 in Paris tätigen Zeichnungsmonteur François Renaud über- geben, damit dieser es sorgsam auflege. 3 Neben einer Goldleiste und schwarzen Profillinien wird die Zeichnung von einem hellen, sensibel auf das blaue Papier abge- stimmten Rahmen eingefasst; damit unter- scheidet sich diese Montierung farblich von dem blauen Kolorit Mariettes (Kat. 8). Zum Zeitpunkt der Entstehung stand Huet am Beginn seiner Laufbahn, erst im folgenden Jahr, 1769, erfolgte die Aufnahme in die Pariser Académie. Ein Sohn des Künst- lers Nicolas Huet (um 1718–1792), ist er für pastorale Szenen und ornamentale Deko rationen bekannt, er hatte sich aber früh bei dem Tiermaler Charles Dagomer (um 1700 – um 1768) auf die Wiedergabe der Fauna spezialisiert. Seine virtuose Kreidetechnik verdankte der Künstler jedoch dem Austausch mit François Boucher (Kat. 34), mit dem er früh in Kontakt getreten ist. 4 Erst diese Zei- chenweise gestattet es, die Tiere einfühlsam und individuell zu schildern, eine Sicht, die für die empfindsame Haltung des 18. Jahr- hunderts charakteristisch ist. Diese Auffas- sung unterscheidet sich von der sachlichen Tierdarstellung zeitgenössischer deutscher Künstler, aber ebenso niederländischer Meister des vorangegangenen 17. Jahrhun- derts, die in Städels Sammlung mit einigen Beispielen vertreten waren (Abb. 129). 5 Den Hintergrund für die kontrastierende Darstellung bildet allerdings die seit der Renaissance verbreitete Ausdrucksstudie (Kat. 9); von Huet befand sich hierfür in der Sammlung Städels mit einer Arbeit von 1772 ein eindrucksvolles Beispiel (Abb. 69). 6 Abb. 69 Jean-Baptiste Huet, Studienblatt mit verschiedenen Köpfen , 1772, Schwarze und rote Kreide, 392×514 mm (Inv. 1237)
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