Leseprobe
144 Deutsche Zeichnungen Feder in Dunkelbraun (ausgeblichen) und Dunkelgrau, 241×161 mm (maximale Abmes- sungen, links keilförmiger Beschnitt); allseitige Einfassungslinie mit der Feder in Dunkelbraun (fehlt an der links oben schräg verlaufenden Blattkante) Wasserzeichen nicht vorhanden, Stegabstände (vertikal) |40|37|38| Unten rechts beschriftet mit dem Monogramm Albrecht Dürers »AD« (ligiert, sogenanntes geschleudertes Dürer-Monogramm) 1 Auf dem Verso oben in der Mitte am Rand mit Bleistift beschriftet »9« in einem Kreis, unten links Stempel des Städelschen Kunstinstituts (L. 2356) mit der dazugehörigen Inventar nummer 1942 (Bleistift) PROVENIENZ 2 Johann Friedrich Städel (1728–1816), Frankfurt am Main ( Catalogue 1825) Städelsches Kunstinstitut, Frankfurt am Main, Stiftung 1816, Catalogue 1825, École alle- mande, »Albert Dürer, Un cheval qui, en se pamant cherche à se debarasser de son cavalier, qui, en tombant voit sa mort. À la plume. 5 ' 11× 8 ' 11 [160×241 mm]«, Inventar 1862, als A. Dürer, Inv. 1942 44 Albrecht Dürer (Nürnberg 1471–1528 Nürnberg), Werkstatt ? In Städels Sammlung: Albrecht Dürer Reiter vom Tod überfallen, 1500/1510 Aufgeschreckt stellt sich ein Pferd auf die Hinterbeine, verängstigt umklammert sein Reiter mit den Armen den Hals des Tieres, hat sich auf die Seite herabrutschen lassen, um sich vor dem drohend über ihm schwe- benden Tod in Sicherheit zu bringen – ob mit Erfolg oder vergeblich, ist schwer vorherzusagen. Links flieht ein kleiner Hund vor dem zierlichen, eine unheimliche Gewalt ausübenden Herrscher über das Jenseits. Vorn unterstreicht ein Baumstumpf mit nach Halt greifenden Wurzeln die diagonale Bild- anlage, betont die wilde Dynamik der Szene. Die Zeichnung ist nicht in allen Einzelhei- ten genau zu erkennen, denn die ursprüng- lich dunkelbraune Tinte ist ausgeblichen. Daher heben sich das Gewand und das aus- gestreckte Bein des Todes merklich von den übrigen Partien ab, die der Künstler mit einer ebenfalls dunklen – im Farbton aber veränderten – Tinte gezeichnet hat. Zur Entstehungszeit wird dieser Unterschied wesentlich geringer gewesen sein. 3 Moti- visch ist die Szene mit der Bekehrung des Saulus zu vergleichen, in der das Einwirken Christi allerdings positiv besetzt ist. Nahe- stehend ist ein Paulussturz von Hans Bal- dung Grien, um 1515/1517, auf dem sich ein Reiter in ähnlicher Haltung in Sicherheit zu bringen sucht. 4 In der Sammlung von Johann Friedrich Städel galt Albrecht Dürer als Urheber der Zeichnung. Diese Beurteilung ist im späten 19. Jahrhundert durch Térey abgelehnt worden, der in dem Blatt eine Arbeit von Hans Baldung Grien (s. Kat. 45) sah; später wurden auch Matthias Grünewald, Hans Süss von Kulmbach und Lucas Cranach als Autoren vorgeschlagen. 5 Mit Baldung ist ein Künstler genannt, der – neben Hans Schäu- felin (s. Kat. 43) – vermutlich zwischen 1503 und 1507 im unmittelbaren Umkreis Dürers arbeitete (Kat. 43); Süss von Kulmbach trat erst später in die Werkstatt ein. Der Zeichner der Frankfurter Darstel- lung arbeitete mit bemerkenswerter Sicher- heit, wie in der spiralförmig gedrehten Hut- feder oder den Händen des Reiters, dem sicher verkürzten, ausdrucksvollen Pferde- kopf oder dem flüchtig angedeuteten Hund zu erkennen ist. Die rechte, gerade herab geführte Skeletthand des Todes erscheint in der Haltung nicht recht motiviert. Wohl aufgrund dieser Beobachtung und weiterer Unstimmigkeiten wurde die Autorschaft Dürers hinterfragt und zugunsten anderer Künstler entschieden. Vielleicht könnten diese Merkmale aber aus der Funktion des Blattes resultieren, einer sich während des Zeichnens erst klärenden – und in der erzäh- lerischen Dramatik entfaltenden – Bildvor- stellung, wie es für das frühe Entwurfs stadium von Dürer charakteristisch ist, etwa auf einem Blatt mit verwandter Thematik in Rotterdam. 6 In der Sammlung Städels blieben gegen- über der überragenden Stellung Dürers in Nürnberg wirkende Zeitgenossen im Hinter- grund; allerdings galt eine Zeichnung bei ihm vermutlich wegen eines unzutreffend aufge- lösten Monogramms als Werk von Sebald Beham (1500–1550), der in der Reichsstadt tätig war (Abb. 78). 7 Abb. 78 Süddeutschland (Oberrhein?), Kopf eines bärtigen Mannes , 1523, Feder in Dunkelbraun, 310×208 mm (Inv. 684)
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