Leseprobe
11 Über den Frankfurter Bankier Johann Friedrich Städel als Person ist kaum etwas bekannt – und auch über ihn als Kunstsammler sind nur wenige Nachrichten erhalten. Dies ist umso erstaunlicher, da seine testamentarisch verfügte Stiftung des Städelschen Kunstinstituts ein einzigartiges, mit Bewunderung aufgenommenes Ereignis war. Schon einige Worte aus dem Februar 1817 – nur wenige Wochen nach Städels Tod von dem Frankfurter Kaufmann und Kunstsammler Heinrich Anton Cornill d’Orville nieder geschrieben – lassen die Bedeutung des Vorgangs für die Zeitgenossen spüren. Cornill schrieb: »Mein freudiges Gefühl war hierüber [das Städel’sche Testament] so groß, daß mir die Thränen in die Augen traten, als mich in der Fremde ein Zeitungsblatt hiervon zuerst in Kentniß setzte. Von mangem wird es zwar cridisiert und getadelt, allein nach meiner Meinung hätte Städel seinen Bürgersinn und Liebe zur Kunst auf keine schönere Weise aussprechen können, als, daß er sein Vermögen nach seinem Tode in ein allgemeines Kunsteigenthum verwandelte. Gott, welche Zierde für Frankfurt ...« 1 Gewiss, Städels Geburtstag und sein Todesdatum sind überliefert, er lebte von 1728 bis 1816 (Abb. 1). Auch hat man festgestellt, dass er 1777, bald nach dem Tod des Vaters Johann Daniel Städel (1696–1777), das elterliche Haus aufgab und sich ein repräsentatives Geschäfts- und Wohngebäude am Roßmarkt in Frankfurt am Main umbauen oder sogar neu errichten ließ. Als er dort einzog, 1784, war er bereits weit über fünfzig Jahre alt. Vielleicht trat er erst zu diesem Zeitpunkt aus dem Schatten seines Vaters, der ein angesehener Kaufmann gewesen war. Städel hatte den väterlichen Handel mit importierten Luxusgütern, Specereywaren en gros , übernommen und seine Tätigkeit zusätzlich auf hohem Niveau auf Finanzgeschäfte ausgedehnt. 2 Als er hochbetagt starb, hatte er ein Leben als ange- sehener Bürger geführt, der sich politisch als Mitglied des 51er-Collegiums in einem Selbstverwaltungs- gremium der Stadt engagiert und am gesellschaftlichen Leben in der 1802 gegründeten Casino-Gesell- schaft beteiligt hatte. Seine Sammlung war in seinem Haus am Roßmarkt untergebracht und für regel- mäßige Treffen gleichgesinnter Freunde, für Gäste und auswärtige Besucher zugänglich. 3 Dies ist ein schmales, ein zu schmales biografisches Gerüst, um daraus den Sammler mit seinem Kunstbesitz und sein Motiv für die Einrichtung des Städelschen Kunstinstituts verstehen zu können. Vielleicht ist es symptomatisch, dass ganz unterschiedliche Wertungen über Städel am Ende seines Lebens und gleich nach seinem Tod ausgesprochen wurden. Johann Wolfgang von Goethe nannte ihn 1815/16 den »Dekan aller hier – in Frankfurt – lebenden echten Kunstfreunde«, aber unmittelbar nach seinem Ableben wurde Städel von dem Frankfurter Schriftsteller und Sammler Johann Isaak von Gerning (1767–1837) als »Kunst-Kautz« charakterisiert. 4 Allerdings bleibt zu fragen, wie genau diese Aussage zu verstehen ist, ob nicht unbedingt als abfällige, sondern möglicherweise als eine wohl wollend karikierende Bemerkung über Städels konzentrierten, auf Zeitgenossen vielleicht eigensinnig wirkenden Sammeleifer. Denn zu Lebzeiten Städels fand Gerning durchaus wertschätzende Worte, als er schrieb: »Herr Johann Friedrich Städel ist Banquier, aber keiner von den gewöhnlichen Wechsel- geschöpfen, die ihre Nebenstunden mit prahlenden Gastmahlen und Gesellschaftsprunke verschwen- den. Dieser kaufmännische Weise schmückt sie in freundlicher Stille mit Früchten der Kunst und des Wissens aus. Nie hat er schulmäßig studiert, und doch sind seine klassischen und sonst mannichfachen Kenntnisse zu bewundern.« 5 Zweifellos bildete Städels finanzieller Wohlstand, der ihm die Mittel – und die Muße – zum Ankauf von Kunstwerken verschaffte, das Fundament für sein Interesse an Kunst. Es sind übereinstimmende Gedanken, mit denen er am 18. November 1811 gegenüber dem Landesherrn Großherzog Carl Theo- dor von Dalberg (1744–1817) eher beiläufig – und unmittelbarer als im juristisch formulierten Testa- ment – den Hintergrund für seine Stiftung erläuterte: »Von Jugend an nährte ich Liebhaberei an Male- reien, Kupferstichen und anderen Kunstsachen. Meine Vermögens-Umstände in Verbindung mit dem ledigen Stande, begünstigten sowol in Rücksicht der nöthigen Muse, als des erforderlichen Aufwandes diesen Kunsthang, so daß ich meine Samlung von Gemälden, Kupferstichen und andern Kunstsachen für ansehnlich halten darf. Da ich auf die Erreichung eines so seltenen hohen Alters nicht zälen konte, so faßte ich schon vor mehrern Jahren den Entschluß, diese meine ausgedeh[n]te Samlung einem zum »ZAUBERSCHLAG DER SCHÖPFERISCHEN PHANTASIE« Zur Zeichnungssammlung von Johann Friedrich Städel
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