Leseprobe
12 Besten hiesiger Stadt und Bürgerschaft durch lezten Willen zu stiftenden, den Namen Städe lisches Kunstinstitut führenden, eigenem und für sich bestehenden Institute zu vermachen; diesem Institute zu seiner Einrichtung, Erhaltung und successiven Vergrösserung, einen ansehnlichen Theil meines rücklassenden Vermögens zuzuwen- den; zu des Instituts Verwaltung besondere Administratoren aus der Zal meiner Freunde zu bestellen ...« 6 Im Testament vom 5. März 1815 legte er mit verwandten Worten die Stiftung als sein Vermächtnis fest, setzte sie für ihre finan zielle Ausstattung auch als Erbin seines Vermö- gens ein, regelte allgemein ihre Organisations- form, bestimmte die ersten Administratoren und beschrieb die Aufgabe, die das Institut zusammen mit einer Kunstschule erfüllen sollte. Der Entschluss zu diesem Schritt war offen- bar lange gereift. In einem ersten Testament vom 26. Januar 1793 hatte Städel nach eigenem Bekunden eine entsprechende Regelung getrof- fen. Es ist nicht ersichtlich, ob es einen Zusam- menhang mit den Auswirkungen der Französi- schen Revolution gegeben hat. Frankfurt war am 23. Oktober 1792 von französischen Truppen besetzt worden, sie zogen aber schon am 2. Dezember des Jahres wieder ab. Vielleicht war die testamentarische Festlegung nur wenige Wochen später eine Reaktion auf diese schein- bare Stabilisierung. Mit der Gründung des Groß- herzogtums Frankfurt ergab sich 1810 eine ver- änderte Ausgangslage. In seinem Gesuch von 1811 bat Städel von Dalberg – nach der Ein führung des Code Napoléon im Januar 1811, mit der Frankfurt seine Gerichtshoheit verlor – um Bestätigung seiner zu gründenden Stiftung; die neue Fassung seines Testaments datierte vom 18. Januar 1812. Es folgte schließlich Städels endgültiger letzter Wille am 15. März 1815, nach- dem Frankfurt mit Verordnung vom 16. Januar 1814 vorläufig zur Rechtsordnung der alten Ver- fassung zurückgekehrt war. Dass die Bestimmun- gen zur Gründung des Kunstinstituts im Einzelnen mit der Fassung von 1812 fortgeschrieben wurden oder sogar mit den Formulierungen von 1793 übereinstimmen, lässt sich nur vermuten. 7 Seine Absichten hat Städel nicht für sich behal- ten, sein Stiftungsgedanke kursierte in Frankfurt spätestens seit 1799. 8 Daher ist auch wahrschein- lich, dass Ankäufe seit 1793 unter der Maßgabe getätigt wurden, den Ansprüchen einer öffentli- chen Sammlung zu genügen. 9 Es ist nicht bekannt, wie der Stiftungsgedanke entstanden ist. Heinrich Sebastian Hüsgen (1745–1807), ein Freund Städels, hatte 1776 formuliert, eine Sammlung solle nach dem Tod des Besitzers möglichst nicht aufgelöst werden; die damit verbundene Anerkennung bliebe nicht nur literarisch erhalten, sondern solle vorzugs- weise auch materiell fortleben. Das Beispiel des großen französischen Zeichnungssammlers Pierre Crozat (1665–1740), der den Erlös aus seiner Nachlassversteigerung, 1741, zur Vertei- lung an arme Menschen vorgesehen hatte, zeigte eine andere Regelung. 10 Mit einer wohltätigen Stiftung, die sich als bürgerliche Einrichtung deutlich von der Repräsentation fürstlicher Sammlungen unterscheiden würde, schloss Städel allerdings an eine in Frankfurt verbreitete Form der Nachlassregelung an. Eine Orientierung konnte vor allem die Stiftung von Johann Chris- tian Senckenberg (1707–1772) geben, der 1763 unter Einsetzung der Stadt Frankfurt als Erbin testamentarisch die Mittel für eine von der Stadt kontrollierte medizinische Forschungs- und Pflegeeinrichtung stiftete. 11 Städel sah freilich ein anderes Rechtsverhältnis vor als Senckenberg, da er die Verwaltung seiner Stiftung von der öffentlichen Hand unabhängig machte. In dieser Hinsicht glich sein Vorhaben der von Pieter Teyler (1702–1778) in Haarlem testamentarisch ins Leben gerufenen Einrichtung, die ebenfalls von Administratoren unabhängig verwaltet wurde; allerdings wird Städel nicht die primär religiöse Motivation Teylers geteilt haben. 12 Das Städelsche Kunstinstitut sollte der Stadt dienen, »zum besten hiesiger Stadt und Bürger- schaft«, wie es im Testament heißt. Dieser Vor- satz muss Städel besonders am Herzen gelegen haben. Mehrfach wiederholte er ihn in seinem letzten Willen, um damit im Grundsatz den Nutz- nießer seiner Stiftung zu definieren – ein lokales, auf die Förderung seiner Mitmenschen zielendes Unternehmen. 13 Um aber nachzuvollziehen, warum und wie Städel überhaupt eine umfang reiche Sammlung zusammengetragen und in Form einer öffentlichen Stiftung hinterlassen hat, sind die finanziellen Grundlagen und seine Liebe zur Kunst vielleicht gar nicht unbedingt aus schlaggebend. Einen Zugang bildet die Sammlung selbst, und hier ist es an erster Stelle die der Handzeichnungen, da aus ihrer Anlage und Aus- richtung Rückschlüsse auf die Motivation zu gewinnen sind, die ihren Erwerb begründeten. Als ein Teil der Stiftung hat die Städelsche Handzeichnungssammlung regelmäßig Aufmerk- samkeit gefunden. Hatte Georg Swarzenski in seinem Überblick über die Geschichte des Kunst instituts 1926 – zum 110. Stiftungsjubiläum – einige allgemeine Worte gefunden, gelang es Kurt
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