Leseprobe
19 Der Name Die Japaner nennen die Kamelie Tsubaki, in China heißt sie Shan-ch’a. Ihren heute international ge- bräuchlichen Namen erhielt die Pflanze durch den schwedischen Naturforscher Carl von Linné (1707 –1778), der die Grundlagen der modernen bota- nischen Nomenklatur schuf. In seinem 1735 erschienenen »Systema naturae« benannte Linné die Pflanzengattung zu Ehren des böhmischen Botanikers Georg Joseph Kamel (1661–1706). Kamel selbst hat die Kamelie nie erwähnt und wahrscheinlich auch nicht gekannt. Nur der Tee dürfte dem jesuitischen Laienbruder vertraut gewesen sein. Tee aber zählte bis 1818 als eigene Gattung. In den Texten des 18. und 19. Jahrhunderts wird die Kamelie – in Annäherung an den Na- mensgeber – unterschiedlich geschrieben. Kamel unterzeichnete in lateinischen Briefen als Geor- gius Josepho Camelus. Darüber hinaus waren Schreibweisen wie Kamel, Camel, Camelus und Camellus verbreitet. Neben dem botanischen Fachbegriff, der unverändert blieb, schrieb man demnach auch Camelie, Camellie, Kamellie oder Kamelie. Chronik eines Irrtums Aufgrund der Namensgebung wurde die Einfüh- rung der Pflanze häufig Kamel selbst zugeschrie- ben. Folgt man diesen Berichten, dann wäre der jesuitische Laienbruder wenigstens 78 Jahre alt geworden. Auch ein Mönch ist Kamel niemals gewesen. Um Georg Joseph Kamel und die Ka- melie ranken sich zahlreiche Legenden. »Der Tsubakki-Strauch der Japanaer oder Santsja der Chi- nesen wurde durch den Pater Georg Jos. Camelli, einem der mährischen Brüder und dann Apotheker in Manilla, im Jah- re 1739 in Paris und durch Lord Petre in London einge- führt.« Chronik des Gartenwesen und Feuilleton der Isis, 1851 »1739 durch den Jesuitenpater Abbé Georg Camelli aus Japan nach Italien gebracht. – 1739 kultiviert durch Robert James, Lord Petre in England. – 1760 im Schloßgarten zu Caserta (Italien)« Mitteilungen der Deutschen Dendrologischen Gesellschaft, 1920 »Der Jesuitenpater Georg Kamell, der als Missionar auf den Philippinen tätig war, brachte 1730 die Kamellie aus Japan mit. Er übergab sie einem englischen Gartenfreund; aber der hatte kein Glück mit ihrer Kultur.« Aus dem Reich der Blume, 1934 »Viele Jahre später reiste ein alter Mönch aus Japan nach Europa heim. Die einzige Habe, die er mit sich führte, war ein Blumentopf mit einem blühenden Strauch, den alle Reisegefährten bewunderten. Der Mönch nannte die Blume Dryade, doch die Menschen konnten sich den Namen nicht merken und benannten sie nach ihm – Kamellie.« Blumenmärchen, 1972 »Georg Joseph Kamel hielt nach seiner Rückkehr 1738 in London in der Royal Society einen Vortrag über Manila und verkaufte zwei Kamelienstauden an Lord Petre. Lord Petre brachte sie in sein Schloß Thorndon Hall, wo der Gärtner sie aus Unkenntnis ins Treibhaus setzte und zu Tode kulti- vierte. Lord Petre wollte den Tod der Kamelien nicht über- leben. Es soll ihm darüber das Herz gebrochen sein, und er starb.« Kleine Geschichte der Blumen, 1981
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