Leseprobe
Die Neubauten am Zelleschen Weg, Kohlezeichnung von Heinrich Röcke (Büro Walter Henn), 1952 keit ausgewogen, eine zurückhaltende Moderne in der Tradition des material- und werkgerechten Bauens. Die neue Architektur erregte Missfallen in Berlin, die ABF wurde vom Präsidenten der Akademie für Baukunst, Kurt Lieb- knecht, als »Schnitterkaserne« herab- gewürdigt, die einem Arbeiter- und Bauernstaat nicht würdig sei. Die Architekten mussten nun erhebliche Eingriffe in die Gestaltung hinnehmen oder durch Aufnahme barocker oder klassizistischer Stilelemente der Dok trin einer »nationalen Baukunst« Rech- nung tragen. Wohl auch deshalb nahm Ochs 1953 den Ruf an die TH Berlin und Henn im gleichen Jahr den Ruf an die TH Braunschweig an, während Rettig die bereits begonnenen Bauvor- haben fortführte. 1965 vollendete er mit der Fertigstellung des heutigen Schön- feld-Hörsaals sowie des Antennenturms am Barkhausen-Bau das gemeinsam begonnene Werk. Neue architektoni- sche Akzente setzten ab Mitte der 1950er-Jahre der Kutzbach-Bau von Walter Heinz Schrödel, der Walther- Hempel-Bau und der Heidebroek-Bau von Fritz Schaarschmidt (1901 – 1970) sowie der Andreas-Schubert-Bau vom Architektenkollektiv Helmut Fischer und Heinz Stoll. Sie markieren eine Abkehr von der sogenannten nationalen Bau- kunst und den Beginn des industriali- sierten Bauens. Walter Henn und Heinrich Rettig (1900 – 1974), die alle als Hochschul- lehrer an der TH wirkten. Obwohl Ochs, Henn und Rettig die einzelnen Gebäude unabhängig planten, fanden sie doch eine gemeinsame Formen- sprache. Ochs realisierte 1950/51 als erstes einen Flügel des Barkhausen-Instituts, Henn den südlichen Teil des späteren Trefftz-Baus mit dem neuen Physikhörsaal und Rettig das Internat der Arbeiter- und Bauern-Fakultät (ABF), die 1949 an der TH Dresden etabliert worden war. Diese Gebäude sind sachlich und in ihrer Geradlinig- einen Raumentwicklungsplan für den Campus vor. Die Bebauungspläne wur- den ab 1949 zunächst kommissarisch von Walter Henn (1912 – 2006) und später von Konwiarz’ Nachfolger Georg Funk (1901 – 1990) weiterentwickelt. Ein Wiederaufbau der völlig zerstörten »Alten Hochschule« am Bismarckplatz wurde offenbar von Anfang an verwor- fen, vielmehr eine Erweiterung des bestehenden Campus östlich der Bergstraße und westlich der Helm- holtzstraße angestrebt. Die ersten Neubauten entwarfen die Architekten Karl Wilhelm Ochs (1896 – 1968),
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