Leseprobe

48 | 49 Karl Wilhelm Ochs schuf mit dem Barkhausen-Bau einen Prototyp, dessen Ge- staltungselemente charakteristisch für zahlreiche Folgebauten werden sollten. Der zur Helmholtzstraße leicht verdrehte zweigeschossige Flügel mit schlichter Lochfassade und blauem Schiefersatteldach wird durchbrochen von einer asym- metrisch angeordneten gläsernen Eingangsachse. Die Fenster sind dreigeteilt, mit breitem Mittelteil und mittigem Kämpfer. Die Fensterrahmen sind akzentuiert durch schmale farbige Leisten. Dieser Fenstertyp wurde, mit unterschiedlicher Farbfassung der Leisten, zum wiederkehrenden Merkmal der Bauten von Ochs auf dem Campus. Das 1950/51 errichtete Gebäude war speziell für die Bedürfnisse des von Hein- rich Barkhausen geleiteten Instituts für Schwachstromtechnik geplant. Im linken Teil des Frontflügels waren zwei Hörsäle untergebracht, im rechten Teil Prakti- kumsräume. Das mit einem Geländer versehene Flachdach der Eingangsachse war für die Antennenanlage vorgesehen. Als zweiter Bauabschnitt folgte ein Ver- bindungsflügel mit Büros in der Verlängerung der Eingangsachse, an den eine u-förmige Dreiflügelanlage als dritter Bauabschnitt, von nun an unter Leitung von Heinrich Rettig, angeschlossen wurde. In einem vierten Bauabschnitt wurde nach 15 Jahren Bauzeit das Projekt mit einem neuen Antennenturm am Westflügel, einem schmalen Südflügel sowie dem großen Hörsaalbau, der 1994 nach dem Elektrotechniker Heinz Schönfeld (1908 – 1957) benannt wurde, vollendet. Der Vorplatz des Barkhausen-Baus zur Helmholtzstraße wird durch den Brunnen mit der Plastik »Jüngling mit Fisch« (1953) von August Streitmüller geprägt. Bereits zur Inbetriebnahme des ersten Bauabschnitts 1951 wurde der Bau nach Bark- hausen benannt, dem damit wohl als einzigem Gelehrten diese Ehre bereits zu seiner aktiven Amtszeit zuteilwurde. Für das Exzellenzcluster »Center for Advancing Electronics Dresden« wurde von 2015 bis 2019 der Südflügel um zwei Etagen und in Richtung der Nöthnitzer Straße um eine Haushälfte erweitert. Im Innenhof entstand ein komplett neues, absolut schwingungsfrei gelagertes Labor für Elektronenmikroskopie. Barkhausen-Bau Nach dem Physikstudium promovierte Heinrich Barkhausen 1906 in Göttingen mit einer Arbeit über elektrische Schwingungen. Anschließend war er bei der Siemens & Halske AG tätig und habilitierte sich 1910 an der TH Charlottenburg. 1911 wurde Barkhausen auf eine Professur an die TH Dresden berufen, um ein Institut für Schwachstromtechnik aufzubauen. Während des Ersten Weltkriegs wurde Barkhausen nach kurzem Fronteinsatz 1915 zur Torpedo-Inspektion in Kiel versetzt. Hier entdeckte er 1917 die Ummagnetisierungs- sprünge des Eisens, den Barkhausen-Effekt. Im selben Jahr gelang ihm mit seinem Mit­ arbeiter Karl Kurz (1861–1960) die Erzeu- gung kurzer elektrischer Schwingungen mithilfe einer Röhre, die Barkhausen-Kurz- Schwingung. 1918 kehrte Barkhausen an die TH Dresden zurück. Sein vierbändiges »Lehrbuch der Elektronenröhre« wurde als Standardwerk in zahlreiche Sprachen übersetzt. Seine japanischen Studenten organisierten für ihren akademischen Lehrer 1938 eine ausgedehnte Vortragsreise durch Japan. Trotz der weitgehenden Zerstörung des Instituts im Februar 1945 nahm Barkhausen bereits 1946 die Lehrtätigkeit wieder auf. HEINRICH BARKHAUSEN 2.12.1881 – 20.2.1956

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