Leseprobe

Gerichtsöffentlichkeit – Historie, Wandel, Zukunft — 21 Ausnahmen vom Fotografier- und Kameraverbot in Deutschland? In der Tagespresse seit Langem ver­ breitet sind Foto- und Videoaufnahmen von Angeklagten, die den Gerichtssaal vor der Verhandlung mit einer vor das Gesicht gehaltenen, verdeckenden Aktenmappe betreten, oder von an der Bank sitzenden Verteidigerinnen und Verteidigern, die noch einmal ihre Unterlagen durchblät- tern. Auch der Einzug des Gerichts wird filmisch festgehalten, wobei die Kamerateams im Anschluss, noch bevor die eigent­ liche Verhand- lung beginnt, den Verhand- lungssaal ver- lassen müssen. Grund dafür ist die Recht- sprechung des Bundesverfas- sungsgerichts zur Pressefreiheit. Dieses hat ent- schieden, dass die grundrechtlich geschützte Freiheit der Berichterstattung den Medien das Recht verleiht, »an den regelmäßig besondere öffentliche und mediale Aufmerksam- keit genießenden Terminen eines Straf- verfahrens, dem Beginn der Hauptver- handlung und der Urteilsverkündung, […] Ton-, Bild- und Filmaufnahmen im Sitzungssaal« zu fertigen, »auf die im Rahmen der weiteren Berichterstattung auch zurückgegriffen werden kann«.1 Dem sind die Gerichte nachgekommen und haben in diesem Umfang Aufnah- men zugelassen. Das Fotografieren und Filmen wurde in vielen Fällen beim Ein- zug des Gerichts und der übrigen Pro- zessbeteiligten zugelassen und erst ver- boten, wenn das Gericht die Sache auf- rief und verhandelte. Der Gesetzgeber hat das strikte Ver- bot von Ton- und Filmaufnahmen wäh- rend einer laufenden Gerichtsverhand- lung erstmals im Jahr 1998 gelockert, in diesem Schritt jedoch beschränkt auf Verhandlungen vor dem höchsten deut- schen Gericht. Mit der neu eingeführten Regelung sind Aufnahmen nunmehr während des Beginns der mündlichen Verhandlung bis zur Feststellung der Anwesenheit der Verfahrensbeteilig- ten und während der öffentlichen Urteilsverkündung vor dem Bundesverfassungsgericht zulässig. Für diese erste Lockerung des Aufnahmeverbots führte der Gesetz- geber an, dass die Verfahren vor dem Bundesver- fassungsgericht häufig Ver­ fassungsfragen von erhebli- cher Bedeutung beträfen und zuvor bereits Gegenstand der öffentlichen Diskussion gewesen seien. Anfang vom Ende der »Saalöffentlichkeit«? Eine Lockerung des Aufnahme­ verbots für andere Gerichte ließ fast 20 Jahre auf sich warten, bis die bishe- rige Regelung des § 169 GVG nochmals ergänzt wurde. Der Gesetzgeber war nach der Kontroverse um die Akkredi- tierung türkischer Medien beim Prozess gegen das ehemalige Mitglied der Terrorgruppe »Nationalsozialistischer 4  Blick von der Medientribüne in den Plenarsaal des Bundesverfassungsgerichts

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