Leseprobe

146 Leiter der Hautklinik der Medizinischen Akademie, die des großen Mannes Namen trug, bereitete eine Ehrung des vielseitig tätigen Mannes vor. Ich sah unsere Verpflichtung in der Würdigung des Malers und Zeich- ners mit einer Ausstellung im Dresdner Albertinum. Sie umfasste 34 Ge- mälde und 45 Blätter seiner Hand. Den Grundstock bildeten die Hauptwer- ke der immerhin 22 Arbeiten umfassenden eigenen Gemäldekollektion der Galerie. Sie war analog zur zunehmenden Wertschätzung Friedrichs erst seit etwa 1915 gewachsen. Damals hatte der Dresdner Sammler Johann Friedrich Lahmann mit der Schenkung des wunderbaren Bildes »Frau auf dem Söller« den eigentlichen Anstoß und Anlass für weitere Erwerbungen und letztlich auch zur Beschäftigung der Kunstgeschichte mit dem Maler gegeben. Die Zusammenarbeit mit Professor Kleine-Natrop an der Medizi- nischen Akademie, diesem uneingeengten, überlegenen Geist, war mir er- baulich. Der Katalog »IN MORTIS CENTENARIUM« wurde mit einem Essay von ihm eingeleitet. Noch aber musste sich Bachmann im Katalog- vorwort für die Ehrung eines Romantikers damit entschuldigen, dass es sich doch immerhin um einen »bürgerlichen Humanisten« handle, und dass die Ausstellung ja auch ein Beitrag »zur Vorbereitung des 20. Jahrestages der DDR« und zur »Formung allseitig gebildeter sozialistischer Persönlich- keiten« sei. Friedrich in London Mit dem Jahre 1972 begann ein denkwürdiges Friedrich-Jahrzehnt in der kunstgeschichtlichen Rezeption dieses großen Malers. Indessen war es kei- neswegs eine deutsche Stadt, sondern vielmehr die Weltmetropole London, die dem deutschen Romantiker ihre Referenz erwies. In jenem Jahr widmete die Tate Gallery Caspar David Friedrich die erste bedeutende Ausstellung. Ihrem Direktor Sir Norman Reid, besonders aber dem Kurator William Vaughan gebührt der Ruhm, Friedrich aus europäischer Sicht umfassend präsentiert zu haben. Das war freilich nur möglich mit Leihgaben aus beiden deutschen Staaten. Außenpolitische Gründe sprachen wohl dafür, dass die Ostberliner Kulturfunktionäre dazu ihr Einverständnis gaben, und dass damit die DDR erstmalig in ein gesamtdeutsch-bilaterales Unternehmen einbezogen war, das pikanterweise auf britischem Boden stattfand. William Vaughan, einen Experten für deutsche Kunst am Courtauld Institute der Londoner Universität, hatte ich schon im Frühjahr 1971 kennen- gelernt, als er zu Vorgesprächen nach Dresden gekommen war. Der gutmüti- ge, rotbärtige Hüne, mit dem ich mich auf Anhieb verstand, weilte bei uns im Pillnitzer Schloss zum Kaffee und wurde von unseren Kindern bestaunt. Im Ergebnis der Verhandlungen stellten uns die britischen Kollegen im Gegenzug für unsere Leihgaben eine William-Turner-Ausstellung in Aussicht, die vorher in der Westberliner Nationalgalerie gezeigt werden sollte. Vereinbart wurde außerdem meine Teilnahme an einem Londoner Symposium zur Friedrich-Forschung.

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