Leseprobe
219 Wohnungsprobleme Ausgerechnet bei der Eröffnungsfeier der DDR-Kulturtage in Florenz und unserer Gemäldeausstellung im festlichen Palazzo Medici-Riccardi hatte Bachmann mir zugeflüstert, dass es einen Beschluss gäbe, wonach in Kürze alle Mieter des Pillnitzer Schlosses ausziehen müssten. Das beunruhigte mich in höchstemMaße. Die Absicht zur »Freilenkung« bestand seitens der Kunstsammlungen schon seit Jahren, konnte aber mangels alternativem Wohnraum bisher nie realisiert werden. Ab 1985 aber wurde mit dem Aus- siedeln der Schlossbewohner Ernst gemacht, und der Verwaltungsdirektor begann mich zu bedrängen. Schon waren die ersten Familien in Gorbitzer und Prohliser Hochhäuser umquartiert worden. Das Ende unserer Pillnit- zer Idylle war wohl jetzt unausweichlich. Das Problem vergällte uns fast ein Jahrzehnt unseres Lebens. Immerhin fragte man uns nach unseren Vorstellungen und Wünschen und forderte uns auf, passenden Wohnraum selbst zu suchen und zu mel- den, unter DDR-Verhältnissen eine fast unlösbare Aufgabe. Um keinen Preis wollten wir nach Prohlis ziehen, sondern vielmehr am Elbhang blei- ben, wo wir uns heimisch fühlten. Wurde doch in jenen Jahren zwischen Pillnitz und Loschwitz durch zunehmende Übersiedlung von DDR-Bürgern in die Bundesrepublik manche Wohnung, manches schöne Einfamilien- haus frei. Man sah es den Häusern an, wenn sie leer standen. Anträge für Wohnungszuweisung waren an das Städtische Wohnungs- amt oder an die KWV – die Kommunale Wohnungsverwaltung – zu richten. Es müssen etwa um 15 Objekte gewesen sein, die wir im Lauf der Jahre den Behörden und der Direktion der Kunstsammlungen als unbewohnt und für uns interessant nachwiesen. Stets wurden unsere Anträge mit der Bemerkung abgelehnt, dass über eben diesen Wohnraum bereits »anders« oder »von anderer Stelle« verfügt worden sei. Natürlich! Wir kannten die »andere Stelle«. Einmal hatten wir ein akzeptables Angebot des Wohnungsamtes, eine Erdgeschosswohnung in einem Bühlauer Zweifamilienhaus schließlich an- genommen. Die neue Einbauküche war bereits angeliefert, als uns das an- maßende, schikanöse Auftreten des künftigen Mitmieters erschreckte. Der bullige, auftrumpfende Typ hatte uns von Anfang an nicht behagt. Gerade noch rechtzeitig erfuhren wir, dass es sich um einen wegen brutaler Men- schenbehandlung und Sturheit berüchtigten SED-Genossen handelte, den man nach langem Armeedienst zum Schuldirektor gemacht hatte. Da gab ich meine Wohnungszuweisung dankend zurück, holte meine Küche wieder ab, und wir hatten schlaflose Nächte. Diesen Rückzieher in letzter Minute dem Generaldirektor zu erklären, war nicht leicht. Einige Jahre lang schien es dann, als habe man den Plan zur Evakuie- rung des Schlosses auf Eis gelegt. Wir atmeten schon auf, als er plötzlich durch einen Vorfall wieder aktuell wurde: Eine Mieterin im Neuen Schloss hatte mit ihrem Kohleofen einen Schwelbrand verursacht. Zur gleichen Zeit erschreckte die Nachricht von einem Großfeuer im Schloss zu Altenburg.
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