Leseprobe

220 Jetzt hatten die Betreiber der Freilenkung den staatlichen Brandschutz auf ihrer Seite, und der setzte einen festen Termin. Natürlich waren sie ganz im Recht, denn alle Wohnungen im Schloss hatten Kohleheizung und waren damit für das alte Bauwerk mit seinem hölzernen Dachstuhl ständige Ge- fahrenherde. So begannen wir wieder mit der Wohnungssuche, denn was uns die kommunale Wohnraumlenkung anbot, war unakzeptabel. Das Carus-Jahr 1989 Eine Ausstellung zum 200. Geburtstag des sächsischen Universalgenies Carl Gustav Carus musste ich in kürzester Zeit auf die Beine stellen, weil mich Dieter Gleisberg, der Direktor des Leipziger Museums der bildenden Künste im Stich gelassen hatte. Schon 1986, als ich mit ihrer Vorbereitung beginnen wollte, hatte er mich dringend gebeten, diesmal ihm und Carus’ Heimatstadt Leipzig die Ehre der umfassenden Retrospektive zu überlassen. Ich hatte das verstanden und es akzeptiert unter der Bedingung, dass wir seine Leipziger Ausstellung anschließend nach Dresden würden übernehmen können. Spä- ter hatte Gleisberg offenbar seine Pläne geändert und Carus abgesetzt, ohne mich davon zu informieren. Jetzt aber, Ende 1988, war es längst zu spät für die Vorbereitung einer großen Werküberschau, wie sie mir vorschwebte. Eine vertane Chance! Ich war wütend und musste nun versuchen, in der verbleibenden Zeit noch eine Ehrung des Künstlers zu organisieren. Man durfte ja wohl ein solches Jubiläum des bedeutenden Mannes in Dresden nicht ohne Würdigung in unserem Haus vorübergehen lassen. Die Schau sollte keine Wiederholung der Carus-Ausstellung von 1969 werden, sondern des großen Mannes vielfältige Aktivitäten spiegeln. So kam neben dem Künstler jetzt auch der Arzt und Naturforscher zur Darstellung, und außer 87 Gemälden und Zeichnungen waren im Klingersaal des Alber- tinums informative Schautafeln, Manuskripte, Erstausgaben seiner Bücher und Teile seiner Schädelsammlung in Gipsabformungen zu betrachten. Pressestimmen hoben hervor, dass hier erstmalig dem Dresdner Pub- likum »der ganze Carus« präsentiert werde. Insofern sei die Ausstellung »im besonderen Maße aufschlußreich und vielschichtig« (Ingrid Wenzkat in der Tageszeitung »Union«). Ohne das kollegiale Zusammenwirken mit dem Medizinhistoriker Günter Heidel von der Medizinischen Akademie Carl Gustav Carus, den Kollegen des Museums für Völkerkunde, der Sächsischen Landesbibliothek, der Skulpturensammlung und des Kupferstich-Kabinetts hätte die Unter- nehmung in der Kürze der Zeit nicht gelingen können. In meiner Eröffnungsrede am 12. Februar 1989 wies ich auf des Jubilars ganzheitliches Denken und seinen ontologischen Lebensentwurf hin, der darauf hinauslief, ein selbstbestimmtes »Lebenskunstwerk« imGoethe’schen Sinne zu gestalten. Die Ausstellung hätte einen gewichtigen Katalog verdient. Doch war die wirtschaftliche Schwäche und paralytische Erstarrung des Regimes

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