Leseprobe
115 JAN HÜSGEN Die Reisen des Victor Barvitius nach Dresden, Berlin und München EINE EINFÜHRUNG Im August des Jahres 1882 stattete der Schweizer Kulturhistoriker Jakob Christoph Burckhardt, im Verlauf seiner Galeriereise von Kas- sel über Berlin, Dresden nach Prag, bei seinem dortigen Aufenthalt der Galerie der Gesellschaft Patriotischer Kunstfreunde einen Besuch ab. Sein Eindruck derselben war mäßig, die Galerie sei im Palais Sternberg »elend untergebracht«. 1 Hinsichtlich der dort präsentierten Werke äußerte er sich, dass »unter vielem Schund ein Dutzend kunst- geschichtlich wichtige oder auch sehr schöne Hauptbilder« vorhan- den seien. 2 Obwohl es Burckhardt bevorzugte, inkognito zu reisen, erkannte ihn der Kustos, der ihn durch die Galerie geführte hatte, und informierte Victor Barvitius, den Inspektor der Galerie. Das Tref- fen zwischen Burckhardt und Barvitius dauerte mehrere Stunden. Es »wurden zahllose Bilder gemeinsam durchgesehen und raptim getauft«, so dass Burckhardt darüber die Zeit vergaß und anschlie- ßend erschöpft ein Lokal aufsuchte, um seinen Hunger und Durst zu stillen. 3 Die persönlichen Briefe an Freunde und Kollegen, in denen Burck- hardt das Zusammentreffen mit Barvitius beschreibt, verdeutlichen, mit welchem Eifer und welcher Energie Barvitius jede Gelegenheit zum persönlichen Expertengespräch nutzte, um im fachlichen Austausch wichtige Fragen der geplanten Einrichtung der Galerie der Gesellschaft Patriotischer Kunstfreunde im Rudolfinum 1885 zu erörtern. Hierzu reiste er auch selbst und besuchte in diesem Rahmen die Dresdner, Berliner und Münchner Gemäldegalerien. Die Eindrücke seiner zwischen dem 20. August und 21. September 1883 durchgeführ- ten Reise hielt er in einem auf den 31. Dezember 1883 datierten und heute im Archiv der Nationalgalerie in Prag aufbewahrten Bericht fest. 4 Unter dem Titel »Aufzeichnungen des Prof. Barvitius über seine Reise
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