Leseprobe

203 tektonischen, also die räumlichen Indikatoren des White Cube in den Blick, sondern er verweist zugleich auf die damit verbundene Ideo- logie eines neutralen Raums als Bühne zweckenthobener, zeitloser Kunstwerke. Dabei bedingen sich die Art und Weise der Präsentation, der zum Tragen kommende Kunstbegriff und die idealtypische Rezep- tion wechselseitig. Die vermeintlich zurückhaltende Raumwirkung des White Cube und die darin gängige Platzierung der Werke in gebührendem Abstand voneinander − in der Regel auf Augenhöhe der Betrachter und Betrachterinnen und im Falle von Gemälden in einreihiger Hängung − trugen maßgeblich zur Etablierung des auto- nomen Kunstbegriffs bei. In der isolierten Präsentation vor weißem Hintergrund strahlt das gut ausgeleuchtete Kunstwerk Souveränität aus und scheint frei von Bezügen, aus sich selbst heraus, zu existie- ren. Was neutral anmutet, ist de facto durchdrungen von ideologi- schen Strukturen, die ästhetische, kulturelle sowie ökonomische Werte implizieren. Brian O’Doherty war die Bedeutung des weißen Galerieraums für die Produktion, Rezeption und Distribution von Kunst bereits Anfang der 1960er Jahre aufgefallen. 3 Das trifft ebenso auf eine Reihe von Künstlern und Künstlerinnen sowie Ausstellungs- machern und Ausstellungsmacherinnen zu, die an alternativen Kunst- und Display-Modellen arbeiteten. Happenings, Performances, instal- lative und institutionskritische Werke sind nur einige Beispiele für kreative Ansätze, in denen die Mechanismen des White Cube seit den 1960er Jahren bis heute vor Augen geführt und infrage gestellt werden. Sie basieren meist auf der Vorstellung eines Kunstwerks, das in unmittelbarer Abhängigkeit vom Kontext steht, das heißt, es ist maßgeblich von räumlichen, zeitlichen, gesellschaftlichen und institutionellen Faktoren beeinflusst. Ausstellungsansicht »Marlene Dumas. Skulls«, Albertinum | Galerie Neue Meister, 2017

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