Leseprobe

Die Geschichte der Kunstschule Plauen 1877–1945 29 Hofmann erweiterte den Unterricht systematisch und suchte den Kontakt zu den ansässigen Textil- herstellern. Mit Ausstellungen von Schülerarbeiten warb er erfolgreich um das Ansehen der Schule. Ab etwa 1878 wurde die Bezeichnung auf Kunstge- werbliche Fachzeichenschule erweitert und die künstlerische Ausrichtung deutlicher artikuliert. Es gelang ihm 1881, Carl Tröger stundenweise als Hilfslehrer für die Stickereiausbildung einzustellen. Der Umstand, dass er gleichzeitig an einem Sticke- reiunternehmen beteiligt war, sorgte für Diskussi- onen, sodass Tröger nach dreijähriger Tätigkeit aus dem Schulbetrieb ausschied. 1884 wurde der 19-jährige Fachzeichenschulabsolvent und Entwer- fer Albert Forkel als neuer Lehrer eingestellt. Die Zahl der Schüler stieg kontinuierlich und betrug 1885/86 bereits 46, womit die Einrichtung an ihre Grenzen stieß. Da der Bedarf nach Musterzeichnern vor allem aufgrund der erfolgreichen Entwicklung der Stickerei- und Spit- zenproduktion wuchs, reichte der Stadtrat zu Plauen beim Königlichen Ministerium des Innern in Dresden imNovember 1885 eine Petition zur »Errichtung einer Vogtländischen Kunstgewerbeschule in Verbindung mit einer Königlichen Baugewerkenschule und eines Sammlungshauses für Kunstgewerbe« 6 ein. Da in Sachsen bereits zwei Kunstgewerbeschulen bestan- den, empfahl das Ministerium, die neue Einrichtung als »Industrieschule« zu bezeichnen. Ihr Wirkungs- kreis sollte das gesamte Vogtland sowie die angren- zenden Gebiete umfassen; dem stimmte der Landtag zu. Die Überführung der städtischen Kunstgewerb- lichen Fachzeichenschule in eine staatliche Lehran- stalt dauerte fast fünf Jahre. Direktor Richard Hofmann (1890 – 1904) Am 1. Oktober 1890 konnte die Königlich Sächsische Industrieschule ihren Betrieb im Haus der Vorgän- gereinrichtung aufnehmen. Ein Jahr später, am 3. Ok- tober 1891, erfolgte die feierliche Einweihung des neuen Schulgebäudes (Abb. 2−3), 7 und Richard Hof- mann wurde zum Direktor ernannt. Zusätzlich zu den bereits in der Kunstgewerblichen Fachzeichenschule beschäftigten Lehrern – Albert Forkel und Albert Oettel – wurden vier weitere Fachlehrer, Lehrkräfte für den allgemeinbildenden Unterricht und die Frau- enabteilung, ein Bibliothekar und technisches Per- sonal eingestellt. Die Industrieschule bestand aus drei Abteilungen: der Musterzeichnerschule, geglie- dert in Web- und Maschinenstickschule, der Fabri- kantenschule und der Frauenarbeitsschule. Hinzu kamen eine öffentliche Bibliothek mit Zeichensaal, ein Ausstellungssaal für Erzeugnisse der heimischen Textilproduzenten und das Museum für die moderne Textilindustrie. Ein eigener Garten diente der Inspiration. 8 Die Einrichtung von Zweigabteilungen in Fal- kenstein, Auerbach, Eibenstock und Oelsnitz auf Initiative der Handelskammer unter Regie des Vogt- ländisch-Erzgebirgischen Industrievereins entsprach Abb. 2 Gebäude der Kunstschule für Textilindustrie auf der Bahnhof- straße, um 1910. Abb. 1 Kunstgewerbliche Fachzeichen­ schule (großes Haus, Mitte), 1878. 6 SächsStA-D 11125, 18118, S. 1. 7 Färber: Geschichte der Kunstschule, 1995, S. 8. 8 Verwaltungsbericht 1865/66−1889/90, S. 143. Abb. 3 Blick in das Treppenhaus der Kunst- schule, um 1910.

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