Leseprobe

Die Geschichte der Kunstschule Plauen 1877–1945 31 Forkel setzte sich für Naumann gegenüber den alt- eingesessenen Mitarbeitern – wie dem Kreis um Al- bert Hempel – ein. Das führte zu einem zermürben- den, jahrelangen Streit und gegenseitigen Verleum- dungsklagen, in die vorgesetzte Beamte in Dresden immer wieder schlichtend eingreifen mussten. 14 Albert Hempel – Direktor der Vogtländischen Stickerfachschule Hempels gute Verbindungen zur Stickerei- und Spit- zenbranche erklären sich daraus, dass er in verschie- denen Plauener Musterateliers arbeitete. Vor allem setzte sich der spätere Vorsitzende des Vogtlän- disch-Erzgebirgischen Industrievereins , der Sticke- reifabrikant Alfred Schönfeld, für ihn ein. Sein beson- deres Interesse galt den historischen Spitzenarten und deren Umsetzung auf maschinellem Gebiet sowie dem Musterschutz. 15 Außerdem untersuchte er die historische Entwicklung der Plauener Stickerei- und Spitzenindustrie und nach dem Ersten Weltkrieg die Krisensituation der Branche. 16 In der Auseinandersetzung um neue Wege in der Ausbildung der Kunstschule war eine Pattsitua- tion zwischen Hempel und Forkel entstanden. Um die Situation zu entspannen, fanden die Verantwort- lichen des Ministeriums und der Stadt Plauen eine recht salomonische Reglung: Die Stickerfachschule wurde in Vogtländische Spitzen- und Stickereifach- schule umbenannt. Außerdem wandelten die Ver- antwortlichen die Musterzeichnerlehrlingsabteilung der Kunstschule in die Städtische Fachgewerbe- schule für Musterzeichner um und verlegten sie in dasselbe Gebäude. Albert Hempel wurde zumDirek- tor der kombinierten Einrichtungen und konnte nun seine Vorstellungen vom praxisnahen Unterricht verwirklichen. Unter seinem Direktorat erfolgte eine weitere Spezialisierung der Berufsfachschule und in diesem Zuge 1928 die Umbenennung in Sächsische Höhere Fachschule für Spitzen- und Stickerei- und Konfektionsindustrie (Abb. 4). Hempel leitete die Schule bis zu seiner Pensionierung 1932. Ihm folgte als neuer Direktor Kuno Blässig. Nach demWeggang Hempels von der Kunst- schule ergab sich für Albert Forkel die Möglichkeit, seine Stellung an der Kunstschule zu stabilisieren und eine Unterrichtsreform anzugehen, die er dem Ministerium bereits 1919 dargelegt hatte. 17 Dazu ge- hörte die klare Trennung und Profilierung der Stickerei- und Kunstschule nach Kunstgewerbe und Industrie. Er wollte Fachklassen für Spitzen und Stickereien, für Gardinen sowie für Web- und Druckstoffe mit künstlerischem Leiter und angegliederten Verwer- tungswerkstätten einrichten. 18 Es gelang ihm jedoch nicht mehr, diese Reform zumAbschluss zu bringen. Abb. 4 Unterricht in der Fachschule für Spitzen-, Stickerei und Konfektions- industrie, um 1930. 14 SächsStA-D 11125, 18125, Bericht von Forkel im Januar 1917, S. 213−216. 15 SächsStA-D 11125, 18141, S. 38−39. 16 SächsStA-D 11125, 18125, S. 304. 17 SächsStA-D 11125, 18127, Kunstschule Bd. 20, Teil 2, Brief vom 16.10.1919, S. 196−199. 18 Ebd., S. 201−225.

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