Leseprobe
Kulturbolschewiki 73 Vereinigten Staatsschulen für freie und angewandte Kunst nach Berlin abzuwerben. Nach brieflicher Kon- sultation mit Hans Poelzig forcierte Hanusch dieses Vorhaben nicht und blieb in Plauen. 4 Doch bereits in den ersten Monaten des Jahres 1933 änderte sich die Stimmung. Studienrat Dr. Claus, Mitglied der NSDAP und Lehrer des Plauener Re- algymnasiums, suchte am 15. März 1933 den als Pro- fessor für Entwerfen und Ornament an der Kunst- schule tätigen Avenarius auf. Die beiden kannten sich aus ihrer gemeinsamen Arbeit im Verein für das Deutschtum imAuslande . Claus teilte Avenarius ver- traulich mit, dass Hanusch beschuldigt werde, »in der Schule nicht deutsche, sondern bolschewistische Kunst gepflegt und gelehrt zu haben. Namentlich macht man ihm zum Vorwurf, dass er Skizzen – und einige Aquarelle von Kandinsky, Klee und Feininger – angekauft habe und diese als Vorlagen für den Un- terricht benutzen lasse.« 5 Avenarius hielt dagegen, dass es für die Schüler*innen wichtig sei, aus Linien- führung, Flächenaufteilung und Farbempfinden der beanstandeten Werke Anregungen für ihre textile Gestaltung zu gewinnen. Die Erfolge seien ausge- zeichnet und wenn die Plauener Industrie immer neue, demmodernen Geschmack entsprechende Entwürfe forderte, käme niemand am Expressionismus vorbei (Abb. 1). Einen Tag nach diesem Gespräch erschien Claus mit zwei weiteren Kollegen und stellte »eine Art Untersuchung über die Unterrichtstätigkeit der Schule« 6 an. Hanusch hielt zu diesem Zeitpunkt eine Kooperation für das geeignete Mittel, das Misstrauen gegen seine Institution aufzulösen. Eines Besseren belehrt wurde er, als es im Verlauf des Besuchs zu persönlichen Beschimpfungen kam. Das ließ Be- fürchtungen aufkommen, dass die NSDAP unter Zu- hilfenahme des Kampfbundes für deutsche Kultur Hanuschs Amtsenthebung anstrebte. Die NSDAPwar bereits seit 1924 als Völkisch-Sozialer Block mit dem ehemaligen Textilfirmenbesitzer Martin Mutschmann an der Spitze erfolgreich im Plauener Stadtparlament vertreten. Ab 1930 hatte sie – auch dank mehrmaliger öffentlicher Auftritte von Hitler, Goebbels, Göring und weiterer Parteigrößen – so viel Macht generiert, dass sie ungeniert und ohne auf relevanten Widerstand zu treffen, ihren propagandistischen Feldzug gegen die Kulturschaffenden der Stadt beginnen konnte. Der im sächsischen Wirtschaftsministerium zu- ständige Ministerialrat Michael forderte Hanuschs Be- richt zu diesen Vorfällen und die Einreichung der bean- standeten Kunstwerke zur Begutachtung. Mit dem Hinweis auf den »Erlass des Herrn Reichkanzlers Hitler und des Herrn Reichskommissars v. Killinger, die jede eigenmächtige Amtsenthebung und sonstige unbe- rechtigte Eingriffe verbieten«, beanspruchte Michael die Entscheidungshoheit für sich und sein Ministerium. 7 In einem knapp fünfseitigen, persönlichen Brief an Michael versuchte Avenarius, in Anbetracht der würdelosen Angriffe, noch einmal die Ziele der Schule zu formulieren und zu versichern, dass diese Institu- tion sehr wohl ihre Aufgabe darin sieht, ihre »geistigen Kräfte völlig in den Dienst der Erfordernisse eines gewaltigen Wirtschaftszweiges im Lande Sachsen« zu stellen. 8 Er erinnerte daran, dass es gemeinsames Ziel von Wirtschaftsministerium und Schule sei, die Ausbildung der Musterzeichner auf eine künstlerische Ebene zu heben. Ebenso betonte er: »Wir sind keine Förderer des Bolschewismus oder bolschewistischer Tendenzen dank unseres Herkommens.« 9 Der Brief war eine inhaltliche Gratwanderung und blieb ein er- folgloser Versuch, die ursprünglichen Ideen der Schule und damit Karl Hanusch als Direktor zu retten. Abb. 2 Souvenirdeck- chen zur Reichs- gartenschau in Dresden 1936 aus Plauener Spitze. Abb. 1 Abschlussklasse der Kunstschule Plauen 1933. 4 SächsStA-D 11125, 18142, S. 23−25, Briefe von Bruno Paul an Karl Hanusch und vonHanusch an Hans Poelzig. 5 SächsStA-D 11125, 18142, S. 1−2, Nachrichtliche Notizen des Ministerialrats Michael. 6 Ebd. 7 Ebd. 8 SächsStA-D 11125, 18142, S. 3−7, Brief Avenarius an Geheimrat Michael, vom 31.3.1933. 9 Ebd., S. 6. 10 Ebd., S. 8, Entwurf Schreiben von Michael an Hanusch, vom 13.4.1933.
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