Leseprobe

Kulturbolschewiki 74 Die Vorwürfe gegen Hanusch wurden darauf noch auf Avenarius selbst sowie die Professoren Otto Lange und Wilhelm Heckrott für »staatsfeindliches oder sonst pflichtwidriges Verhalten« ausgedehnt. 10 Ministerialrat Michael nahm dabei unter anderem Bezug auf einen ihm vorliegenden Bericht der Indus- trie- und Handelskammer Plauen vom 7. April 1933, ergänzt durch einen Aufsatz zum »Kulturbolsche­ wismus« 11 des zweiten Vorsitzenden des Fabrikan- tenvereins der Spachtel- und Tamburindustrie , Wil- liamHaller, Inhaber der Firma Artzt & Haller in Plauen, vom 23. März 1933. 12 Damit begann das öffentliche »Kesseltreiben« gegen die vier Professoren der Kunstschule (Abb. 3). Das Für undWider in der Causa Hanusch zog sich quer durch die Textilbetriebe der Stadt. Es ist davon auszugehen, dass auf demRücken der Schule Konkurrenzen untereinander ausgetragen wurden und man sich bei dem unterdessen als Reichsstatthalter nach Dresden gewechselten Mutschmann in Position brachte. Unterstützung erhielten Hanusch und seine Kollegen unter anderem von Arno Mocker, Direktor der Industriewerke Plauen und der Dresdner Gardi- nen- und Spitzenmanufaktur Niedersedlitz , sowie von Künstlerkollegen. Einer von ihnen, Max Wislice- nus, der Hanusch aus gemeinsamer Zeit an der Bres- lauer Kunstgewerbeschule kannte, schrieb am 17. April 1933 eine ausführliche Erwiderung auf das Haller’sche Pamphlet an das Wirtschaftsministerium: »Aus einer außerhalb ganz unbeachteten Durch- schnittsschule wurde durch die Tatkraft einer Gruppe junger Künstler eine geradezu vorbildliche Schule für Textilkunst, nach dem Urteil wirklich Sachverständi- ger«. 13 Weiter führte er aus: »Der Dank für diese Pi- onierarbeit ist, daß man diese Männer in Plauen schmäht! Besonders traurig bleibt dazu, daß die In- dustrien anstatt zu fühlen, daß hier echte gute deut- sche Arbeit geleistet wird, – ängstlich und unselb- ständig glaubt, – ihre Muster in Frankreich holen zu müssen! [. . .] [Hanusch] hat sich weder dort [in Bres- lau], noch später [. . .], irgendwie politisch betätigt, auch nie einem politischen Verein angehört. [. . .] Es war m. E. seine Pflicht als Leiter einer Kunst- schule alle Wandlungen in der Kunstanschauung der Zeit zu beobachten und das Gute daraus für die Weiterentwicklung der Schule herauszugreifen. Das ist künstlerische Objektivität, – niemals aber, wie Dr. C. laienhaft meint, – Kulturbolschewismus!« Wis- licenus lobte die Arbeiten Otto Langes und äußerte nachdrücklich sein Unverständnis über die diffamie- rende Bezeichnung als »unfähigen Akademiebol- schewiken«. 14 Einen weiteren unrühmlichen Höhepunkt bil- dete die »Schutzhaft« der Professoren vom 6. bis 15. Juni 1933. Damit sollte – laut Aussage des säch- sischen Wirtschaftsministers – verhindert werden, dass die Beschuldigten belastende Arbeiten entwen- den könnten. So sei die Inhaftierung auch keine Mi- nute länger als nötig, also bis zur Erstellung der In- ventarliste ihrer Ateliers, erfolgt. 15 Es folgte ein unwürdiges Prozedere: Professor Albert Hempel verwahrte sich gegen die Vermutung des Gärtners Max Grahn 16 , der Urheber der durch »die Abb. 3 Bericht des Kampfbundes für Deutsche Kultur zur Ausstellung von Schülerarbei- ten in der Kunst- schule, 1933. 11 Der Begriff »Kulturbolschewismus« ist ein negativ konnotierter Begriff zur Herab­ setzung gegensätzlicher künstlerischer Positionen, vor allem als abwertendes poli- tisches Schlagwort der Nationalsozialisten gegen progressive Künstler verwendet. Siehe auch den Beitrag von Claudia Schönjahn in diesem Band, S. 62−65. 12 SächsStA-D 11125, 18142, S. 8, Entwurf einer Stellungnahme von Geheimrat Michael, in der Zeitschrift Freiheitskampf, Ausgabe Sachsen, vom 13. April 1933. 13 SächsStA-D 11125, 18142, S. 11, Brief Max Wislicenus an das sächsische Wirtschafts- ministerium vom 18.4.1933. 14 Ebd., S. 11−12. 15 SächsStA-D 11125, 18143, S. 63, Brief des sächsischen Wirtschaftsministers an Martin Mutschmann. 16 Max Grahn betrieb als Mieter in einem Gebäude der Kunstschule ein Blumenge- schäft.

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