Leseprobe
Kulturbolschewiki 75 Industrie Plauens gegen die Kunstschule unternom- menen Maßnahmen« 17 zu sein. Der Gaufachleiter der Bildenden Künste, Walter Gasch aus Dresden, be- zeichnete zudem Heckrott, Lange und Avenarius als »politisch links stehend«. 18 Damit untermauerte er die Anschuldigungen. Der Leipziger Anwalt Ha- nuschs, Johannes Weygand, analysierte in einem über 30-seitigen Schreiben die Entwicklung der Schule von 1922 mit den bereits von Anfang an vor- handenen Befindlichkeiten einiger Vertreter der Textilindustrie, die letztlich die Entlassung Hanuschs vorangetrieben hätten. 19 Ergebnis war, dass er selbst von Berufskollegen diffamiert wurde. 20 Außerdem bat der Vorsitzende des Vogtländisch-Erzgebirgi- Abb. 4 Weihnachtsfeier in der Kunst- schule, 1938, hintere Reihe: 4. v. l. Reinhard Metz, 7. v. l. Georg Schauer. Abb. 5 Gebäude der Kunstschule, nach 1933. schen Industrie-Vereins , Alfred Schönfeld, mit be- sonderem Hinweis auf seine Kompetenz und unter Umgehung des üblichen Instanzenweges, direkt um ein Gespräch mit dem zuständigen Wirtschaftsmi- nister Georg Lenk. Die Bilanz des Termins lautete wie folgt: »Herr Schönfeld hat sich vorbehaltlos gegen den zwangsbeurlaubten Dr. Hanusch im besonderen und gegen die übrigen 3 fraglichen Herren im allge- meinen ausgesprochen.« 21 Zum 30. September 1933 ordnete Minister Lenk schließlich die Kündigung der Anstellungsverträge der vier Professoren an. 22 Hanusch wurde attestiert, dass er nicht fähig sei, eine derartige Institution zu leiten, und Avenarius unterstellt, dass er auf den Fachgebie- ten Stickerei-, Spitzen- und Gardinenindustrie nicht über die nötigen Fachkenntnisse verfüge und sich auch nie bemüht hätte, die Interessen der heimischen Industrie zu ergründen und zu berücksichtigen. Damit sei er für das schlechte Verhältnis zwischen Schule und Industrie mitverantwortlich. 23 Die Richtigkeit der Entscheidung wollte vorab im Juni 1933 eine eigens zusammengestellte Ausstel- lung postulieren, die den Besuchern die verfehlte Schulpolitik anschaulich machen sollte. Für die NSDAP berichteten die bereits genannten Mitglieder William Haller und Walter Artzt, die die Ausstellung mit 66 Vertretern der vogtländischen Industrie besichtigten. Übereinstimmend und geradezu vernichtend wurde festgestellt, dass die unter der früheren Leitung ent- standenen Schülerarbeiten und die dafür angeschaff- ten Bilder und Skizzen unmöglich zur Heranbildung brauchbarer Kräfte für die Industrie führen können. 24 Im Zusammenspiel von nationalsozialistischer Stadtregierung, Teilen der Textilindustrie und ihrer Verbände, der NSDAP, dem Kampfbund für deutsche Kultur , sowie einzelnen Neidern in den eigenen Schul- reihen endete die Ära Hanusch. Die Staatliche Kunst- schule für Textilindustrie verlor zunehmend an Re- nommee und überregionaler Ausstrahlung (Abb. 2) und konnte dies auch unter den folgenden Direktoren Georg Schauer und Kuno Blässig nicht mehr ausglei- chen (Abb. 4 und 5). 17 SächsStA-D 11125, 18142, S. 19, Brief Albert Hempels an das sächsische Wirtschaftsministerium. 18 SächsStA-D 11125, 18143, S. 60−61, Brief des sächsischen Wirtschaftsministers an Martin Mutschmann. 19 Ebd., Brief Sächsische Rechtsanwälte Steinhäuser, Weygand & Jahnke, Leipzig vom 4.9.1933. 20 Ebd., Brief von Rechtsanwalt Dr. Fritzsche, Leipzig, Dittrichring an Reichsstatthalter Martin Mutschmann vom 4.10.1933. 21 SächsStA-D 11125, 18142, S. 34−35, handschriftliche Notiz auf dem Brief Alfred Schönherrs an das Ministerium vom 27.5.1933. 22 Der Zustimmung Mutschmanns konnte sich Lenk sicher sein. Beide kannten sich bereits seit 1926 als Textilunternehmer in Plauen, Mutschmann protegierte Lenk. 23 SächsStA-D 11125, 18143, S. 36−37, Brief des sächsischen Wirtschaftsministers vom 29.7.1933. 24 SächsStA-D 11125, 18142, S. 40−41, Bericht Artzt an Minister Lenk vom 9.6.1933.
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy MTMyNjA1