Leseprobe

Spitzenherstellung im Vogtland 15 Stickmaschinenhersteller zur Tarnung als Wander- geselle in den Dienst, um die Montage der Maschine zu erlernen, da die übliche Auslieferung als komplette Maschine nicht möglich war und auch keine Schwei- zer Monteure nach Plauen geschickt werden konn- ten. Im Oktober 1857 wurden die Kisten am Schweizer Zoll vorbei über den Bodensee ans deutsche Ufer gebracht, damit keine Spuren in den Ausfuhrtagebüchern hin- terlassen wurden, die den Stickereifabrikanten zur Kenntnis hätten gelangen können. Der Hersteller vermittelte auch einen Schweizer Maschinensticker, der bereit war, mit seiner Familie nach Plauen um- zusiedeln. Nach seiner Rückkehr im September und der Wiederaufnahme seines Studiums in Chemnitz montierte Voigt über Weihnachten 1857 in Plauen die erste Stickmaschine, an die sich ab dem 1. Ja- nuar 1858 der pünktlich aus der Schweiz angereiste Friedrich Roth als erster Maschinenstickmeister Deutschlands setzte. Er bildete sofort einen Plaue- ner Sticker für die zweite bereits angelieferte Ma- schine aus, die Voigt ab Ostern 1858 montierte. Voigt blieb bis Februar 1860 als Mechaniker in der ersten deutschen Maschinenstickerei in Plauen und montierte noch weitere zehn Maschinen, die ab Herbst 1858 ganz offiziell vom gleichen Hersteller aus der Schweiz geliefert wurden. Er ließ sich von Friedrich Roth auch selbst als Sticker ausbilden und wollte nun eine eigene Stickmaschinenfabrik grün- den. In Plauen fand er dazu keine geeigneten Räume mit Kraftantrieb, und so zog er für die ersten Jahre zu seinem Schwager nach Kändler bei Chemnitz. Die erste Maschine wurde im November 1860 aus- geliefert, die 100. Handstickmaschine bereits im August 1864. 7 Im März 1863 standen in acht Orten in Sachsen bereits 97 Maschinen mit ca. 22000 Sticknadeln. 8 Albert Voigt bot auch gleich noch die Ausbildung an den Stickmaschinen an (Abb. 1). Insbesondere für die Mechanisierung der Handstickerei im Kettenstich (auch als Tambursti- ckerei bezeichnet) von Gardinen (Musselingewebe, auch mit Tüll hinterlegt), die in Sachsen in einigen Orten im Vogtland und im Westerzgebirge um Ei- benstock verbreitet war, erfand um 1866 der Plau- ener Uhrmacher und Maschinenbauer Leonhard Hadam eine einnadelige Stickmaschine und stellte diese selbst her. Ein Plauener Stickereifabrikant kaufte 1866 in der Schweiz das Erfindungsrecht einer weiteren Kettenstickmaschine für Deutschland (außer Württemberg). Nur einige Wochen später wurde es an Albert Voigt weitergereicht, der diese ab 1867 herstellte. 1868 liefen im Vogtland 18 Ma- schinen dieser beiden Hersteller. 9 1872 kaufte Voigt noch die Erfindung einer vieretagigen Kettenstich- stickmaschine von einem in St. Gallen lebenden Braunschweiger Mechaniker, die 1873 zur Weltaus- stellung in Wien präsentiert wurde. Die Sächsische Stickmaschinenfabrik AG (vormals Albert Voigt) erhielt dafür die Fortschrittsmedaille. 10 Ab 1869 kam die Kurbelstickmaschine von Antoine Bonnaz (Paris) hinzu, bei der unter demArbeitstisch mit der rechten Hand an einer Kurbel die Richtung des Stickkopfs auf dem aufliegenden, zu bestickenden Textil (u. a. Gardinen) gelenkt wurde. 1871 gab es dann imVogt- land und Westerzgebirge bereits 90 Maschinen dieser drei Hersteller. 11 Schon 1863 erfand der Schweizer Isaak Gröbli die Schiffchenstickmaschine mit Vorder- und Hin- terfaden nach dem Prinzip der Langschiffchen-Näh- maschine von Elias Howe. 12 Diese Maschinen haben gegenüber der Handstickmaschine eine deutlich höhere Stickgeschwindigkeit. Die ersten 35 Ma- schinen wurden 1883 in Sachsen in 15 Firmen an sechs Orten aufgestellt. 13 Sechs dieser Maschinen 11 Jahresbericht der Handels- und Gewerbe- kammer Plauen auf das Jahr 1871, 1872, S. 350. 12 Gröbli: Die Enstehung der Schiffli-Stick­ maschine. Vortrag gehalten vor der Mittwochgesellschaft in Goßau SG am 20. Dez. 1899, s.d. 13 Jahresbericht der Handels- und Gewerbe- kammer Plauen auf das Jahr 1883, 1884, S. 119f. Abb. 4 Inserat der Vogtländischen Maschinenfabrik AG, um 1913.

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