Leseprobe
52 D ie beiden gut 700 Jahre alten Glasbecher entstammen dem mamelukischen Kultur- kreis. Sie wurden gegen 1300 in Syrien angefertigt und gelangten auf unbekannten Wegen nach Nordeuropa, wo sie zu Beginn des 15. Jahrhunderts, wohl in Deutsch- land, mit silbernen Standringen und Deckeln versehen und so dem abendländischen Gebrauch angepasst wurden. Bis heute vermitteln die kostbaren Glasgefäße eindrucksvoll das aristokratische Lebensgefühl der Herrscher des Orients. Auf der Wandung des klei- neren der beiden Becher galoppieren drei Reiter. Sie spielen das ritterliche Polo, das aus Persien stammte. Die beiden goldenen, ornamenthaft wirkenden Inschriftenfriese preisen – am oberen Rand in alter Naskhi-Schrift und am unteren mit gleichem Text in kursiver Schrift – den Ruhm eines namentlich nicht genannten Sultans. Die Bemalung des höheren Bechers mit einer Wasserjagd stimmt im figürlichen Stil weitgehend mit dem kleineren überein. So darf angenommen werden, dass beide aus der gleichen Werkstatt stammen. Dargestellt ist ein Jäger, der mit Pfeil und Bogen auf Kraniche und Wildgänse schießt, während ein zweiter die Vögel mit einem Tuch aus dem Schilfdickicht aufscheucht. Die beiden Meisterwerke der Emailmalerei entstammen der Blütezeit der syrischen Glasindustrie. Die zylindrische Trinkbecherform mit auslandendem Rand und ange schmolzenem Ringfuß ist typisch für das islamische Mittelalter. Bis zum Ende des Mittel- alters war das vom Islam beherrschte südliche Mittelmeergebiet dem Abendland kulturell weit überlegen. Derartige mit farbenfroher Emailmalerei geschmückte Glasbecher wur den nicht allein für die reichen Höfe der Luxusstädte Samara, Bagdad und Kairo geschaf fen. Die zerbrechlichen Kostbarkeiten gelangten auch als »Souvenire« von Kreuzrittern und hochgestellten Pilgern nach Europa oder wurden über Venedig importiert. Die beiden Becher sind seit 1640 im Bestand der Dresdner Kunstkammer nachweisbar, aus dem sie bei deren Auflösung 1832 in das Grüne Gewölbe gelangten. Glasbecher mit Polospielern Glas, Email, Silber, vergoldet Glas: Syrien, um 1300 Goldschmiedearbeit: Deutsch- land, 2. Hälfte 14. Jahrhundert H. 27,0 cm/Inv.-Nr. IV 193 ® Glasbecher mit Reiherjagd Glas, Email, Silber, vergoldet Glas: Syrien, um 1300 Goldschmiedearbeit: Deutsch- land, spätes 15. Jahrhundert oder frühes 16. Jahrhundert H. 34,0 cm/Inv.-Nr. IV 192
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